Gericht
AG Hamburg
Datum
10.06.2014
Aktenzeichen
25b C 431/13
Branche/ Lebenslage
- Störerhaftung,
- Täterhaftung,
- WLAN,
- Internetanschlussinhaber,
- Hotelbetreiber,
- Gast,
- Gäste,
- Belehrung,
- Port,
- Ports,
- Sperrung
Akteure
- Urheberrechtsinhaber,
- Internetanschlussinhaber / Hotelbetreiber,
- Gast
Wer haftet?
- Grundsätzlich Anschlussinhaber, hier (-)
Haftungsart
- Störerhaftung,
- Unterlassungsanspruch, hier (-)
Haftungsumfang
- Abmahnkosten/Anwaltskosten,
- Verfahrenskosten, hier (-)
Haftungsbegründendes Verhalten
Unterhaltung eines Internetanschlusses und Überlassung an Dritte
Technische Umstände
Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien
Persönliche Umstände
Arglosigkeit gegenüber den Risiken rechtswidriger Internetnutzung durch unberechtigte Dritte, hier (-)
Möglichkeiten der Haftungsvermeidung
Belehrungspflichten gegenüber Mieters grundsätzlich zweifelhaft; in jedem Fall Belehrung zur rechtskonformen Nutzung des Internetanschlusses und ausreichend technische Sicherung des Netzwerks durch ein Passwort ausreichend
Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung
Über den gewerblich genutzten Internetanschluss der Hotelbetreiberin wurde eine urheberrechtlich geschützte (Film-)Datei im Wege des Filesharings zum Download angeboten.
Die beklagte Hotelbetreiberin gewährt ihren Gästen die Nutzung des Internetanschlusses. Jeder Gast erhält dabei an der Rezeption auf Nachfrage kostenlos befristete Zugangsdaten. Im Zimmer ist sodann sowohl die Nutzung eines WLAN als auch einer LAN-Verbindung möglich. Der Gast muss sich individuell einwählen und vor der Internetnutzung bestätigen, dass er die Haftung für alle Aktivitäten übernimmt und eine etwaiger Missbrauch rechtliche Schritte nach sich ziehen kann.
Zudem hat sich die Hotelbetreiberin ein sog. Internet Gateway einrichten lassen. Das beschränkt die Zugriffsmöglichkeiten, kann aber nicht generell Dateien mit Musik und Videoinhalten beschränken, ohne nicht gleichzeitig eine legale Nutzung zu verhindern.
Eine täterschaftliche Haftung auf Schadensersatz scheidet schon deshalb aus, weil sich der Hotelbetreiber auf die Haftungsprivilegierung des § 8 Abs. 1 S. 1 TMG berufen kann.
Auch eine Inanspruchnahme im Rahmen der Störerhaftung kommt nicht in Betracht:
Als Störer kann [grundsätzlich] auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. […] Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf […], setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des [Bundesgerichtshofs] die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus. Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 Rn. 19 – Sommer unseres Lebens; BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 41 – Morpheus; BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – I ZR 216/11, GRUR 2013, 1229 Rn. 34 = WRP 2013, 1612 – Kinderhochstühle im Internet II, mwN) (juris Rn. 35).
Nach Ansicht des Amtsgerichts scheitert eine Inanspruchnahme der Hotelbetreiberin in jedem Fall an der mangelnden Zumutbarkeit weiterer Maßnahmen. Die von ihr getroffenen Maßnahmen seien ausreichend. Die Beklagte hat ihr Netzwerk ausreichend gesichert und darüber hinaus ein sog. Internet-Gateway eingerichtet. Die Vergabe der Zugangsdaten erfolgte befristet und die Hotelgäste wurden über die Folgen einer rechtswidrigen Internetnutzung entsprechend belehrt.
Zwar zweifelt das Gericht grundsätzlich an einer entsprechenden Belehrungspflicht. Die erfolgte – allgemein gehaltene und nicht ausdrücklich auf Filesharing bezogene – Belehrung, die für internationale Gäste auch in der jeweiligen Sprache abrufbar war, genügte allerdings in jedem Fall den an den Anschlussinhaber zu stellenden Anforderungen.
Darüber hinaus sei eine Sperrung etwaiger Ports nicht erforderlich. Es sei dem Hotelbetreiber nicht zumutbar, Maßnahmen zu ergreifen, die gleichzeitig die Gefahr in sich tragen, dass der Zugang zu rechtmäßigen Angeboten unterbunden wird, und/oder zur Folge haben, dass die Leistungsfähigkeit des Internetanschlusses merkbar begrenzt wird (juris Rn. 44).
ANMERKUNGEN
Die vorliegende Entscheidung ist für den Bereich gewerblicher Vermietung, also etwa die Vermietung von Zimmern im Rahmen eines Hotelbetriebs, bedeutsam.
In diesem Zusammenhang entschied bereits das LG Frankfurt, dass es ausreicht, wenn der Inhaber eines Hotels ein marktüblich gesichertes WLAN anbietet und den Gast auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hinweist (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 18.08.2010 – 2-6 S 19/09). Dieser Rechtsprechung hat sich unter anderem das AG Hamburg angeschlossen. Der Vermieter bzw. Hotelbetreiber kommt seinen Prüfpflichten dadurch nach, dass er sein Netzwerk ausreichend vor dem Zugriff unberechtigter Dritter schützt (vgl. hierzu insbesondere BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens; Urt. v. 24.11.2016 – I ZR 220/15 – WLAN-Schlüssel) und die Mieter bzw. Kunden über die rechtskonforme Nutzung des Internetanschlusses belehrt. Auf die ausdrückliche Nennung des Verbots einer Nutzung von Online-Tauschbörsen kommt es nicht an (vgl. zum Ganzen auch Heckmann/Specht in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Aufl. 2017, Kap. 3.2 Rn. 113 f.).
Das Amtsgericht Hamburg weist vorliegend darauf hin, dass die Sperrung einzelner Ports für den Internetanschlussinhaber nicht zumutbar wäre, da entsprechende Maßnahmen das Geschäftsmodell eines Hotels gefährden könnten. Dazu muss schlüssig vorgetragen werden, dass ein schnelles, gut funktionierendes Internet für den Betrieb notwendig ist (juris Rn. 45).
Zu erwähnen bleibt jedoch, dass der Betrieb eines öffentlichen WLAN künftig der Haftungsprivilegierung des § 8 Abs. 3 TMG – auch im Hinblick auf die Störerhaftung – unterfallen wird. Danach kann der Anbieter eines öffentlichen WLAN grundsätzlich weder auf Schadensersatz noch Unterlassung in Anspruch genommen werden (vgl. jedoch Möglichkeit der Netzsperre nach § 7 Abs. 4 TMG).