Gericht
AG Hamburg
Datum
03.07.2015
Aktenzeichen
36a C 134/14
Branche/ Lebenslage
- Sekundäre Darlegungslast,
- Anschlussinhaber,
- Internetanschluss,
- illegales Filesharing,
- Kind,
- Eltern,
- Familie,
- Dritte,
- Störerhaftung,
- Namensnennung,
- Begründungspflichten
Akteure
- Urheberrechtsinhaber,
- Internetanschlussinhaber,
- Dritte
Wer haftet?
- Grundsätzlich Internetanschlussinhaber, hier (-)
Haftungsart
Schadensersatz, hier (-)
Haftungsumfang
- Grundsätzlich Anwaltskosten/Abmahnkosten,
- Verfahrenskosten
Haftungsbegründendes Verhalten
Grundsätzlich Anwaltskosten/Abmahnkosten, Verfahrenskosten
Technische Umstände
Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien
Persönliche Umstände
Tatsächliche Vermutung bezüglich Täterschaft des Anschlussinhabers, hier (-)
Möglichkeiten der Haftungsvermeidung
Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast erfüllen
Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung
Über das WLAN der Beklagten wurde eine urheberrechtlich geschützte Datei (ein pornografischer Film) im Wege des Filesharings im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Die Rechteinhaberin begehrt von der Anschlussinhaberin Zahlung von Schadensersatz und Erstattung der anwaltlichen Abmahnkosten mit der Begründung, diese sei die Täterin der festgestellten Urheberrechtsverletzung.
Nach Ansicht des AG Hamburg besteht vorliegend jedoch weder ein Anspruch auf Schadensersatz noch auf Kostenerstattung. Die Voraussetzungen für eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft der Anschlussinhaberin liegen nicht vor. Unabhängig, ob diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Vermutung überhaupt tragfähig sei, greife sie im vorliegenden Fall nicht ein. Die tatsächliche Vermutung ist nämlich dann nicht gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten und dies vom Anschlussinhaber vorgetragen ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Anschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung vor dem Zugriff unberechtigter Dritter nicht hinreichend (technisch) gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens; Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12- BearShare) (juris Rn. 20).
In diesem Zusammenhang trägt der Anschlussinhaber eine sog. sekundäre Darlegungslast. Dieser genügt er dadurch, dass er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und daher als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Dabei ist er im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (juris Rn. 21).
Im vorliegenden Fall hat die Anschlussinhaberin die Anforderungen an ihre sekundäre Darlegungslast vollständig erfüllt. So hat sie vorgetragen, dass sie die Rechtsverletzung selbst nicht begangen habe und dass ihr namentlich benannter Ehemann ebenso wie die beiden namentlich benannten Töchter ebenfalls Zugang zu dem WLAN gehabt hätten, wobei der Ehemann gemeinsam mit der Beklagten einen PC und die beiden Töchter jeweils einen eigenen Laptop genutzt haben. Darüber hinaus hätte sie genannte Personen befragt, woraufhin sie gegenüber der Anschlussinhaberin die Begehung der Rechtsverletzung abgestritten hätten. Damit hat sie nach Ansicht des AG Hamburg auch ihrer Nachforschungspflicht genügt (juris Rn. 22).
Der ernsthaften Möglichkeit, dass einer der Familienangehörigen die Tat begangen hat, steht auch deren Bestreiten gegenüber der Anschlussinhaberin nicht entgegen. Es sind insofern vielfältige Gründe denkbar, warum sich die Töchter bzw. der Ehemann nicht offenbaren (juris Rn. 24).
Das Gericht stellt weiterhin fest, dass sich die sekundäre Darlegungslast nur darauf bezieht, ob und welche Personen als Täter in Betracht kommen. Die Anschlussinhaberin muss darüber hinausgehend weder angeben, welche Personen nicht in Betracht kommen, noch vortragen, ob die in Betracht kommenden Familienmitglieder konkret auch gerade zum Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss nehmen konnten (was sie auch nicht wissen konnte, da sie zu dieser Zeit nicht zu Hause gewesen ist) (juris Rn. 25).
Auch zu weiteren Nachforschungen war die Anschlussinhaberin nicht verpflichtet. Insbesondere besteht keine Verpflichtung Ermittlungen anzustellen, wer tatsächlich Täter der Rechtsverletzung ist. Die Anschlussinhaberin musste weder die Computer untersuchen noch ein Routerprotokoll auslesen (juris Rn. 26).
Weiterhin stellt das Amtsgericht fest, „dass allein durch eine urheberrechtliche Abmahnung gegenüber einer Privatperson auch – anders als im Wettbewerbsrecht – keine Sonderrechtsbeziehung begründet wird, welche eine Antwortpflicht des Abgemahnten zur Folge hätte“ (juris Rn. 32).
Anmerkungen
Das Amtsgericht Hamburg setzt sich in der vorliegenden Entscheidung ausführlich mit den Anforderungen und der Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses obliegenden sekundären Darlegungslast auseinander. Dieser wird Genüge getan, wenn der Anschlussinhaber vorträgt, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben und welche anderen, namentlich benannten Familienmitglieder über eigene internetfähige Geräte ebenfalls auf den Internetanschluss zugreifen können.
Das AG Hamburg grenzt sich auch bewusst von anderen Gerichten (z. B. dem LG München I, Urt. v. 05.09-2014 – 21 S 24208/13) ab, indem es ausdrücklich feststellt, dass es dem Anschlussinhaber im Rahmen seiner Nachforschungen nicht auferlegt werden könne, herauszufinden und sodann vorzutragen, wer konkret, zum Tatzeitpunkt Zugang zu dem Internetanschluss hatte. Nach der Rechtsprechung des LG München I muss der Anschlussinhaber beispielsweise Nachforschungen anstellen, „wo sich die potenziellen Täter zu den Tatzeitpunkten aufgehalten haben und ob sie zu den maßgeblichen Zeitpunkten konkret – und nicht nur theoretisch – Zugang zum Internetanschluss gehabt haben“ (LG München I, Urt. v. 05.09-2014 – 21 S 24208/13, juris Rn. 30).
Nach Ansicht des AG Hamburg überspanne dies jedoch die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast (juris Rn. 28).