Gebotene Sicherungsmaßnahmen, für ein Haftungsausschluss bei Urheberrechtsverletzungen über den eigenen Internetanschluss schließen ggf. über die reine Verschlüsselung des WLAN hinausgehende Maßnahmen ein

Gericht

KG Berlin

Datum

08.02.2017

Aktenzeichen

24 U 117/15

Branche/ Lebenslage

  • Störerhaftung,
  • WLAN,
  • freies W-LAN,
  • W-LAN-Hotspot,
  • ungesicherter Internetanschluss,
  • ungesicherter Internetzugang,
  • Internetanschlussinhaber,
  • illegales File-Sharing,
  • Freifunker,
  • Freifunkereigenschaft, § 8 TMG

Akteure

  • Urheberrechtsinhaber,
  • Internetanschlussinhaber,
  • Dritte

Wer haftet?

  • Grds. Internetanschlussinhaber

Haftungsart

  • Störerhaftung/Unterlassung

Haftungsumfang

  • Grds. Anwaltskosten/Abmahnkosten,
  • Verfahrenskosten; hier: Kläger (Anschlussinhaber) trägt Verfahrenskosten zu 1/3, Beklagte (Rechteinhaberin) zu 2/3

Haftungsbegründendes Verhalten

Bloße Unterhaltung eines ungesicherten Internetanschlusses und Überlassung an Dritte

Technische Umstände

Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien

Persönliche Umstände

Arglosigkeit gegenüber Möglichkeiten der rechtswidrigen Nutzung durch Dritte

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Im Rahmen der dem Störer obliegenden Prüfpflichten die gebotenen Sicherungsmaßnahmen ergreifen

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Bei der vorliegenden Entscheidung des KG Berlin handelt es sich um einen Kostenfestsetzungsbeschluss, nachdem die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.

Über das WLAN des Klägers (festgestellt über die Zuordnung der entsprechenden IP-Adresse im Tatzeitpunkt) wurde eine urheberrechtlich geschützte Datei (Folge einer TV-Serie) im Wege des Filesharings im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Eine Verantwortung des WLAN-Betreibers als Täter scheidet aus, da bewiesen wurde, dass es sich bei diesem um einen sog. Freifunker handelt, also um eine Person, die in altruistischer Gesinnung Dritten ihr Netzwerk frei und kostenlos zur Verfügung stellt.

In Betracht kommt jedoch eine Inanspruchnahme des Anschlussinhabers im Rahmen der Störerhaftung (vgl. bereits BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens). Dem Anschlussinhaber obliegt demnach generell eine sog. Prüfpflicht in Bezug auf den eigenen Internetzugang. Eine Haftung auf Unterlassen (und damit auf Zahlung der zur Durchsetzung dieses Anspruchs anfallenden Anwaltskosten) kommt in Betracht, wenn gebotene Sicherungsmaßnahmen unterbleiben. Nach Auffassung des KG Berlin gelte dies auch nach der jüngsten Änderung des § 8 TMG bei richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Urteils des EuGH v. 15.09.2016 – C-484/14 – McFadden. Gebotene Sicherungsmaßnahmen i.S.d. Rechtsprechung des EuGH, die eine Haftung des Anschlussinhabers entfallen lassen können, umfassen dabei nicht nur die Verschlüsselung des WLANs oder die Identifizierung der Nutzer, sondern auch (in der Entscheidung nicht näher bestimmte) sonstige Maßnahmen, die Rechtsverletzungen der Nutzer erschweren.

ANMERKUNGEN

Das KG Berlin setzt sich vorliegend anhand eines Kostenfestsetzungsbeschlusses mit der Haftung eines Internetanschlussinhabers als Störer für durch Dritte begangene Urheberrechtsverletzungen im Rahmen des Filesharings bei Betrieb eines ungesicherten WLAN auseinander und schließt sich im Rahmen seiner Überlegungen den Ausführungen des EuGH (Urt. v. 15.09.2016 – C-484/14 – McFadden) an.

Nach beiden Entscheidungen können Betreiber eines öffentlich zugänglichen WLAN zwar nicht auf Schadensersatz, aber als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie es unterlassen, entsprechende Sicherungsmaßnahmen wie die Verschlüsselung des Netzwerks (mit Passwort) oder etwa eine Identifizierung der Nutzer zu ergreifen.

Das KG Berlin stützt das auf die Entscheidung des EuGH und legt den § 8 TMG (der in Abs. 3 eine Haftungsprivilegierung für die Betreiber freie zugänglicher WLAN enthält) in seiner damaligen Fassung richtlinienkonform aus. Zu beachten ist jedoch, dass in § 8 TMG mittlerweile durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes v. 28.09.2017 mit dem neuen S. 2 in Abs. 1 eine Klarstellung eingefügt wurde, wonach die Betreiber öffentlicher WLAN (unter den Voraussetzungen des S. 1) wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers weder auf Schadensersatz noch auf Unterlassung, also als Störer, haften.

Im Moment verbleibt in diesem Kontext eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob sich Gerichte in kommenden Entscheidungen (auch abhängig davon, ob es sich um einen gewerblichen oder privaten WLAN-Anbieter handelt) „richtlinienkonform“ auf Seite des EuGH schlagen werden oder den großzügigeren Maßstab der nationalen Regelung anwenden werden.

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