Der Beweis über die Ermittlung eines urheberrechtsverletzenden Internetanschlussinhabers schließt die Preisgabe der zur Ermittlung eingesetzten Software ein

Gericht

LG Berlin

Datum

30.06.2015

Aktenzeichen

15 O 558/14

Branche/ Lebenslage

  • Sekundäre Darlegungslast,
  • Rechteinhaber,
  • Anschlussinhaber,
  • Internetanschluss,
  • illegales File-Sharing,
  • Dritte,
  • Störerhaftung,
  • IP-Adresse,
  • Vortrag,
  • Anforderungen,
  • Ermittlungen,
  • ermittelnde Personen,
  • Software,
  • Freifunker

Akteure

  • Urheberrechtsinhaber,
  • Internetanschlussinhaber,
  • Dritte

Wer haftet?

  • Rechteinhaberin

Haftungsart

Haftungsumfang

  • Anwaltskosten/Abmahnkosten,
  • Verfahrenskosten

Haftungsbegründendes Verhalten

Geltendmachung nicht bestehender Ansprüche

Technische Umstände

Persönliche Umstände

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Notwendiger Vortrag des Rechteinhabers in Fällen des Filesharings umfasst detaillierte Informationen hinsichtlich eingesetzter Software (Herkunft, Name, Version), ermittelnder Personen und weiterer Begleitumstände

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Über das öffentlich zugängliche WLAN des Klägers wurde vermeintlich eine urheberrechtlich geschützte Datei (Folge einer TV-Serie) im Wege des Filesharings im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Im Anschluss wurde der Anschlussinhaber von der Rechteinhaberin abgemahnt. Sie verlangte die Abgabe einer Unterlassungserklärung, die Zahlung von Schadensersatz sowie Ersatz der Anwaltskosten.

Der Internetanschlussinhaber beantragte vor dem LG Berlin, feststellen zu lassen, dass er weder als Täter noch als Störer für die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen hafte und der Rechteinhaberin deshalb keine Ansprüche gegen ihn zuständen. Er sei im Rahmen eines sog. Freifunk-Netzwerkes Betreiber eines offenen Internetzugangsknotens über ein WLAN-Netzwerk. Um Dritten seinen Zugang zur Verfügung zu stellen, sei eine Freifunk-Software installiert, die es ermögliche, dass sich andere Freifunkknoten mit seinem Knoten verbinden und dadurch ein sog. Mesh-Netzwerk bilden. Beginnt ein Dritter die Nutzung des Netzwerks, wird diesem eine Seite angezeigt, die über Freifunk informiere, über den Umgang mit dem Internet belehre und darauf hinweise, dass bestimmtes Verhalten wie z. B. Verletzungen von Urheberrechten zu unterbleiben haben. Darüber hinaus erkenne der Router des Klägers das typische Verhalten von Filesharing-Programmen. Es werde ein Script benutzt, das zwar nicht den Start eines Filesharing-Vorgangs, durchaus aber dessen Vollendung verhindern könne, indem es unterbrechend eingreife. Deshalb bestehe trotz dieser Sicherung die ernsthafte Möglichkeit, dass eine dritte Person unter Nutzung des Freifunkknotens das Filmwerk zum Herunterladen angeboten habe (juris Rn. 8).

Die Rechteinhaberin beantragte, die Feststellungsklage des Internetanschlussinhabers abzuweisen. Sie behauptet, dass die IP-Adresse, die dem Zugang des Klägers zum Tatzeitpunkt zugeordnet war, beweissicher mit Hilfe einer bestimmten Software ermittelt wurde. Dieses Ermittlungsergebnis lasse auf eine Täterschaft des Anschlussinhabers schließen, jedenfalls aber hafte er im Falle der Begehung der Urheberrechtsverletzung durch einen Dritten als Störer aufgrund seines ungesicherten Netzwerkes.

Nach Ansicht des LG Berlin ist die Feststellungsklage des Anschlussinhabers begründet. Die von der Rechteinhaberin geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Aufwendungsersatz setzen unter anderem voraus, dass das streitgegenständliche Filmwerk zu dem angeblichen Tatzeitpunkt im Wege des Filesharings tatsächlich über den Internetzugang des Anschlussinhabers öffentlich zugänglich gemacht wurde. Das zu beweisen und darzulegen, obliegt nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen der Rechteinhaberin. Das umfasst auch die Ermittlung der IP-Adresse.

Erst wenn feststeht, dass die IP-Adresse richtig ermittelt wurde, kommt es im nächsten Schritt auf die richtige Zuordnung zu einem Internetanschluss im Auskunftsverfahren an, was ebenfalls von der Beklagten darzulegen und zu beweisen ist (juris Rn. 21).

Der Vortrag der Rechteinhaberin zu diesen Punkten war vorliegend substanzlos und unzureichend. Die beschränkte sich auf eine allgemeine Darlegung, die wie ein Textbaustein für beliebige Filesharing-Ermittlungen verwendbar ist, die relevanten Umstände des Einzelfalls aber offenlässt. Sie hat nur vorgetragen, dass für die Ermittlung der IP-Adresse irgendeine Software eingesetzt wird, nicht aber, welche Software (Herkunft, Name, Version) . Die Beklagte hat daneben nur pauschal behauptet, die Software arbeite zuverlässig und fehlerfrei, nicht aber, wie das festgestellt worden sei. Auch wurde nichts zur Arbeitsweise (automatisiert oder manuell), dem ermittelnden Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens, der zeitlichen Synchronisation der Ermittlung oder der Zuordnung der Hashwerte vorgetragen (juris Rn. 23).

Die die von der Rechteinhaberin geltend gemachten Ansprüche begründenden Umstände wurden von dieser somit nicht hinreichend vorgetragen, sodass eine Haftung des Anschlussinhabers letztlich nicht besteht.

ANMERKUNGEN

Das LG Berlin stellt mit der vorliegenden Entscheidung fest, dass der notwendige Vortrag des Rechteinhabers in Fällen des Filesharings detaillierte Informationen hinsichtlich eingesetzter Software (Herkunft, Name, Version), ermittelnder Personen und weiterer Begleitumstände umfasst. Ein Vortrag wie der vorliegende ist hierfür zu pauschal gehalten. Auf die in Filesharing-Fällen relevante tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers und die diesem in der Folge obliegende sekundäre Darlegungslast kommt es vorliegend gar nicht mehr an, da als Vorstufe zu diesen Fragen die ordnungsgemäße Zuordnung der IP-Adresse zu dem Anschluss des vermeintlichen Täters oder Störers feststehen muss, was die Rechteinhaberin nicht ausreichend darlegen konnte.

Hinzuweisen ist im Zusammenhang mit offenen bzw. öffentlich zugänglichen WLAN auf die seit dem 12.10.2017 geltende Rechtslage. An diesem Tag ist das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (BGBl 2017 I Nr. 67 3530 f.) in Kraft getreten. Der neu gefasste § 8 Abs. 1 S. 2 TMG sieht dabei ausdrücklich für Betreiber von öffentlich zugänglichen WLANs i.S.d. § 8 Abs. 3, 1 TMG einen Haftungsausschluss vor. Und zwar nicht nur im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche der Rechteinhaber, sondern auch hinsichtlich einer Störerhaftung der Anschlussinhaber. Somit können Letztere zukünftig weder auf Schadensersatz noch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Unter die Privilegierung fallen nach der Gesetzesbegründung nicht nur gewerbliche Anbieter eines WLAN, sondern auch Privatpersonen, die ihren Anschluss frei zur Verfügung stellen (vgl. m.w.N. Spindler, in: ders./Schmitz, TMG, Kommentar, 2. Auflage 2018, § 8 TMG Rn. 26). Der deutsche Gesetzgeber geht damit über die unionsrechtlichen Regelungen der E-Commerce-Richtlinie hinaus und fasst die Privilegierung zum Zwecke einer angestrebten flächendeckenden WLAN-Versorgung weiter. Um Rechteinhaber jedoch in solchen Fällen nicht chancenlos zu lassen, sieht der nationale Gesetzgeber im neuen § 7 Abs. 4 TMG die Möglichkeit sog. Netzsperren gegen WLAN-Anbieter vor.

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