eJustice hat Hochkonjunktur

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Die Verlagerung der Kommunikation am und mit dem Gericht in die digitale Welt bietet unzählige Vorteile. Verfahrensbeschleunigung und Prozessoptimierung, die Vereinfachung von Arbeitsvorgängen und nicht zuletzt die Vermeidung persönlicher Kontakte vor dem Hintergrund der Covid19-Pandemie sind nur einige davon.[1] Mithilfe digitaler Tools werden nicht nur Ressourcen geschont, sondern auch neue Wege der Interaktion zwischen der Justiz und rechtsuchenden Menschen eröffnet – insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl privat als auch im beruflichen Kontext die Erledigung verschiedenster Angelegenheiten über das Internet Gang und Gäbe ist.[2]

BMJV testet Online-Klagetool und Plattform für Betroffene von Straftaten

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat am 16. August 2021 in Zusammenarbeit mit Tech4Germany ein neues Projekt für ein Online-Klagetool gestartet.[3] Unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzleramts versuchen dabei interdisziplinäre Teams, die Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben und entwickeln nutzerorientierte Prototypen für verschiedene Anwendungsfälle. Umfragen zufolge verzichten Bürgerinnen und Bürger oft auf den Gang vor Gericht, solange sich der finanzielle Schaden in Grenzen hält; bei weniger als 2000 Euro scheuen viele den Aufwand und das Kostenrisiko.

Im Bereich des Strafrechts will das BMJV mit seinem Online-Portal Hilfe-Info Hürden für Opfer, Zeuginnen und Zeugen und Angehörige abbauen. Das Angebot bündelt Informationen, Tipps und weiterführende Hinweise bzw. Hilfeangebote sowohl bei akuten Notfällen als auch mit Blick auf Beratungs- oder andere Kontaktstellen.[4]

Digital-Offensive im Süden

In Sachen Digitalisierung konnte die Justiz nicht erst (aber besonders) seit Beginn der Corona-Pandemie Erfolge verzeichnen. Bereits seit 2017 arbeiten Baden-Württemberg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen zur Einführung bzw. zum Ausbau der elektronischen Gerichtsakte zusammen.

Auf dem Fachgipfel „Auf dem Weg in die digitale Justiz des 21. Jahrhunderts“ waren im September 2020 rege Erfahrungen, Initiativen und Ideen ausgetauscht und eine erweiterte Kooperationsvereinbarung unterzeichnet worden – sowohl der Bundesgerichtshof, das Bundessozialgericht und das Bundespatentgericht als auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof schlossen sich der Partnerschaft zur Förderung der eAkte an.[5]

Insbesondere Baden-Württemberg und Bayern haben ihre gemeinsame Digital-Offensive ausgeweitet. Staatsminister Georg Eisenreich zieht schon jetzt eine positive Zwischenbilanz:[6] Der Zugang zu Videokonferenzanlagen ist seit Juli 2021 für sämtliche bayerischen Gerichte möglich, auch entsprechende Konferenz-Tools stehen zur Verfügung. Rund 7,2 Millionen Nachrichten werden derzeit auf das Jahr gerechnet elektronisch ausgetauscht. Die Regeleinführung der E-Akte in Zivilverfahren ist aktuell in Arbeit. Baden-Württemberg testet zudem auch die eStrafakte in einem Pilotprojekt am Landgericht Ulm.[7]

Ausblick

Eine leistungsfähige und flexible Justiz benötigt nutzer- und bürgerfreundliche Lösungen. Die verschiedenen Bemühungen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene und das Fortschreiten der Digitalisierung auch der Justiz sind in jedem Fall positiv zu sehen. Dass allerdings beispielsweise in Baden-Württemberg im Laufe dieses Jahres alle 160 Gerichtsstandorte mit WLAN ausgestattet werden sollen,[8] ist zwar zu begrüßen, fällt allerdings auch in die Kategorie „längst überfällig“.

Für andere Themen müssen zunächst noch Lösungen gefunden und umgesetzt werden.[9] Es bleibt zu hoffen, dass hierbei – jedenfalls zu einem maßgeblichen Teil – nicht auf Insellösungen oder intransparente (und ggf. datenschutzrechtlich problematische) Produktpakete privater Anbieter gesetzt wird, sondern weiterhin die Entwicklung eigener (Open Source-)Programme und Plattformen vorangetrieben wird, um nicht nur die deutsche Justiz, sondern Deutschland als innovativen IT-Standort insgesamt zu stärken.


[1] Vgl. auch Bernhardt/Leeb, in: Heckmann/Paschke, jurisPK-Internetrecht, 7. Aufl., Kap. 6 (Stand: 02.08.2021), Rn. 1.

[2] So Justizstaatssekretärin Dr. Margaretha Sudhof, vgl. die Pressemitteilung des BMJV vom 16.08.2021.

[3] Vgl. die Pressemitteilung des BMJV vom 16.08.2021, dort auch zum Folgenden.

[4] Siehe auch BMJV, Hilfe-Info.de ist die Plattform des Bundes für Betroffene von Straftaten, 18.08.2021.

[5] Vgl. die Pressemitteilung der Landesregierung Baden-Württembergs vom 17.09.2020.

[6] Vgl. die Pressemitteilung des Bayerischen Justizministeriums vom 04.08.2021, dort auch zum Folgenden.

[7] Vgl. Neue Württembergische Zeitung v. 05.08.2021, Seite 6 / Südwestumschau.

[8] Vgl. die Pressemitteilung der Landesregierung Baden-Württembergs vom 17.09.2020.

[9] Ausführlich Müller/Gomm, jM 2021, 222-227.

Sämtliche Links wurden zuletzt am 20.08.2021 abgerufen.