Die neue Regierungskoalition aus Grünen, FDP und SPD hat kürzlich ihren Koalitionsvertrag[1] vorgelegt, der – natürlich neben anderen wichtigen Themen – auch einige Positionen in Sachen Digitalisierung bereithält.
Mehr Anonymität, weniger Überwachung
Der Koalitionsvertrag räumt dem Thema Digitalisierung eine prominente Stellung im ersten Kapitel nach der Präambel ein. Besonders hervorgehoben werden digitale Innovationen und digitale Infrastruktur sowie bessere Rahmenbedingungen für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung. Die Digitalisierung in der Verwaltung müsse vorangetrieben werden, wofür umfassende private und öffentliche Investitionen getätigt werden sollen.[2]
Mittels eines „Digitalchecks“ soll im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine frühere und vor allem ressortübergreifende Diskussion neuer Vorhaben ermöglicht werden, wobei sowohl die Praxis und betroffene Kreise aus der Gesellschaft als auch Vertreterinnen und Vertreter des Parlaments und Erfahrungen und Erfordernisse von Ländern und Kommunen bei der konkreten Gesetzesausführung stärker eingebunden und berücksichtigt werden sollen.[3]
Auch soll insbesondere die Speicherung von Kommunikationsdaten und die Überwachung der Bürgerinnen und Bürger generell eingeschränkt werden.[4] Allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht werden klar abgelehnt.[5] Die anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets solle gewahrt werden, zugleich sollen rechtliche Rahmenbedingungen für elektronische Verfahren zur Anzeigenerstattung und für private Verfahren etabliert und richterlich angeordnete Accountsperren ermöglicht werden.
Weiterhin solle Mobbing und Extremismus in den Sicherheitsbehörden entgegengewirkt werden.[6] Hierfür ist die Einrichtung einer neuen Beschwerdestelle – dem unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundestages – vorgesehen, der mit Akteneinsichts- und Zutrittsrechten ausgestattet werden soll.[7]
Deutliche Unterschiede zum Sondierungspapier
Der Präsident des IT-Verbands Bitkom ist der Ansicht, der Koalitionsvertrag bleibe trotz einer „Fülle guter Ansätze […] etwas hinter den hohen Ansprüchen des Sondierungspapiers zurück“.[8] Kernvorhaben wie die Digitalisierung der Verwaltung und von Schulen müssten tatkräftig in die Praxis umgesetzt werden, in anderen Bereichen, in denen weiterhin Lücken bestehen wie beispielsweise die Datenpolitik und digitale Identitäten, müsse nachgelegt werden.
Die noch vor der Wahl diskutierte Problematik der Kompetenzverteilung bleibt indes bestehen. Oliver Süme, Vorsitzender des eco-Verbands der Internetwirtschaft, hofft, dass die digitalen Zuständigkeiten der verschiedenen Ressorts wenigstens klar verteilt werden, damit nicht wieder vieles „zerrieben“ werde. An vielen Stellen fehle es darüber hinaus an klaren und vor allem messbaren Zielen.
Die Interessensvereinigung der bayerischen Wirtschaft vbw spricht von einem „halbvollen Glas“ und konzentriert sich auf die positiven Aspekte des Koalitionsvertrags.[9] Kritik wird an der geplanten schnellen Verabschiedung einer ambitionierten e-Privacy-Verordnung geäußert, die aus Sicht der vbw nicht erforderlich sei und das Risiko berge, dass technische Innovationen in Europa unterbunden werden und damit eine Gefahr für die Position Europas im internationalen Wettbewerb bestehe.
Fazit
Die Bewertung des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi), der Status der Digitalisierung als „das wichtigste Instrument […], um den Wohlstand der Zukunft an einem klimafreundlichen Technologiestandort zu sichern“ sei im Bewusstsein der Koalitionäre angekommen, ist zuzustimmen. Doch auch die Kritik ist berechtigt: Messbare Ziele und klare Prioritäten sind unabdingbar für eine erfolgreiche Digitalisierung – sei es in der Verwaltung oder im Allgemeinen.
[1] Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, via Tagesschau.de.
[2] Vgl. Koalitionsvertrag 2021-2021 (vgl. Fn. 1), S. 5.
[3] Vgl. Koalitionsvertrag 2021-2021 (vgl. Fn. 1), S. 9.
[4] Vgl. Ampel-Koalition verspricht Bürgern Anonymität im Internet, eGovernment Computing, 25.11.2021.
[5] Vgl. Koalitionsvertrag 2021-2021 (vgl. Fn. 1), S. 17 f., dort auch zum Folgenden.
[6] Vgl. Ampel-Koalition verspricht Bürgern Anonymität im Internet, eGovernment Computing, 25.11.2021.
[7] Vgl. Koalitionsvertrag 2021-2021 (vgl. Fn. 1), S. 104.
[8] Krempl, Geteiltes Echo: Ist der Koalitionsvertrag der Ampel der nötige große Wurf?, Heise Online, 25.11.2021, dort auch zum Folgenden.
[9] Vgl. vbw, Ampel-Koalitionsvertrag – Bewertung durch die vbw, November 2021.
Sämtliche Links wurden zuletzt am 01.12.2021 abgerufen.