Wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit des Vertriebs eines Adblock-Browsers für mobile Endgeräte (Smartphones und Tablets)

Gericht

LG Berlin

Datum

08.12.2015

Aktenzeichen

16 O 449/15 (nicht rechtskräftig)

Branche/ Lebenslage

  • Adblocking,
  • Werbeblocker,
  • Werbeblocker-Software,
  • wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit,
  • Filterlisten

Akteure

  • Werbeblocker-Vertreiber,
  • Webseiten-Betreiber

Wer haftet?

  • Werbeblocker-Vertreiber

Haftungsart

  • Unterlassungsanspruch

Haftungsumfang

  • Unterlassungsanspruch,
  • Verfahrenskosten

Haftungsbegründendes Verhalten

Zurverfügungstellung einer technischen Möglichkeit zur Unterdrückung angezeigter Werbeinhalte von Webseiten

Technische Umstände

Verhinderung des Anzeigens von Werbung

Persönliche Umstände

Unzulässige Behinderung des Wettbewerbers

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Der geschäftsmäßige Vertrieb von Werbeblockern birgt derzeit ein rechtliches Risiko

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Die Anbieterin einer Online-Zeitung wendet sich gegen den Vertreiber eines sog. Ad-Blocker-Browsers, der es Nutzern ermöglicht, das Anzeigen von Werbeinhalten auf der Webseite der Online-Zeitung zu unterbinden.

Das Gericht sah in dem Vertrieb des Ad-Blocker-Browsers eine unzulässige Behinderung der Anbieterin der Online-Zeitung:

Der Antragstellerin [Anbieterin Online-Zeitung] steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch gegen die Antragsgegnerin [Vertreiberin des Ad-Blocker-Browsers] aus §§ 3, 4 Nr. 10 UWG zu. Die Antragsgegnerin behindert die Antragstellerin in unlauterer Weise beim Absatz ihres Produktes, indem sie unmittelbar in seine Substanz eingreift.

Die Antragstellerin kann dem Nutzer den Seitenaufruf nur deshalb kostenlos gestatten, weil sie die für den Betrieb der Internetseite notwendigen Einnahmen aus der Vermarktung von Werbeflächen erzielt. In diese Einheit greift das Programm der Antragsgegnerin gezielt ein, indem es dafür sorgt, dass dem Nutzer die Internetseite der Antragstellerin gegen ihren Willen ohne Werbung und damit gerade unter Ausschluss desjenigen Teils angezeigt wird, aus dem die Antragstellerin ihre Einnahmen generiert.

Die Antragsgegnerin ermöglicht es dem Nutzer damit, ein Ergebnis zu erzielen, das er ohne diese Hilfestellung mit eigenen Mitteln nie erzielen könnte; denn nur eine verschwindend kleine Zahl von Nutzern dürfte in der Lage sein, ein eigenes Programm zur Unterdrückung von Werbung auf den Internetseiten mobiler Endgeräte zu entwickeln.

Die Antragstellerin erleidet durch den AdBlock Browser erheblich Nachteile. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung, dass die Bereitschaft der werbenden Industrie, Anzeigen auf den Internetseiten der Antragstellerin zu schalten, davon abhängt, in welchem Umfang der Nutzer diese Werbung wahrnimmt.

ANMERKUNGEN

Der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts wurde vom Gericht im vorliegenden Fall bejaht. Es genüge hierfür, dass die Parteien durch die konkret beanstandete Handlung in Wettbewerb getreten waren (gemeinsamer Adressat: Internetnutzer).

Auch wenn die Verwendung des Werbeblockers erst durch den Nutzer selbst stattfand, sah des Gericht auch in dem Verhalten des Vertreibers einen unmittelbaren Eingriff. Gestützt wurde das auf die bereits mit der Zurverfügungstellung der Software zweckmäßig ermöglichte „Sperrung“ bestimmter Inhalte, die nach dem Willen der Webseiten-Betreiber dem Internetnutzer angezeigt werden sollten. Anders hat das z.B. das OLG Köln entschieden, das den Vertrieb von Werbeblockern, wegen der zwingenden Aktivierung durch den Nutzer, für grundsätzlich zulässig befand (OLG Köln, 24.06.2016, 6 U 149/15).

Abweichend von anderen Entscheidungen (unter anderem LG Hamburg, 21.04.2015, 416 HKO 159/14) zum Werbeblocker im Internet sah das Gericht in der Methode des Blockierens einen entscheidenden Unterschied zu den Voraussetzungen der „Fernseh-Fee“-Entscheidung des BGH vom 24.06.2004 (I ZR 26/02). Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall würden bei dem Werbeblocker im Internet bereits an die Geräte gesendete Signale unterbunden. Die Fernseh-Fee-Blockade hätte dagegen technisch nichts anderes als ein Umschalten bewirkt, die gesendeten Signale selbst mithin unangetastet gelassen.

Es käme nicht darauf an, dass der Nutzer ein legitimes Interesse daran habe, bestimmte Werbeinhalte nicht ansehen zu müssen. Entscheidend sei, dass mit dem Werbeblocker eine technische Methode geschaffen würde, die Schutzvorrichtungen der Webseiten-Betreiber zu umgehen. Es sei wettbewerbsrechtlich unzulässig, eine solche technische Möglichkeit geschäftsmäßig anzubieten.

Auch andere Möglichkeiten der Webseiten-Betreiber, den wirtschaftlichen Nachteil aufgrund des Unterbindens von Werbung, etwa durch Umstellung zu einer kostenpflichtigen Zurverfügungstellung der Webseiten-Inhalte, sah das Gericht als nicht zumutbar. Eine andere Beurteilung der Alternativmöglichkeiten für Webseiten-Betreiber hatte z.B. das LG Hamburg (25.11.2016, 315 O 293/15) vorgenommen.

Aussicht: Aufgrund des erst kürzlich in der Rechtsprechung aufkommenden Problems des Werbeblockens im Internet, ist die Rechtsprechung noch uneinheitlich (besonders die erstinstanzliche; vgl. Krüger, GRUR-Prax 2016, 322). Mit der neusten Entscheidung des BGH, in der sich dieser für die grundsätzliche Zulässigkeit von Werbeblockern und deren Vertrieb aussprach, (vgl. Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle, Nr. 78/218) könnte für mehr Rechtsklarheit gesorgt werden. Diese Entscheidung ist gegenwärtig noch nicht veröffentlicht.

Schreiben Sie einen Kommentar