Gericht
LG Hamburg
Datum
20.03.2015
Aktenzeichen
310 S 23/14
Branche/ Lebenslage
- Störerhaftung,
- Belehrungspflicht,
- volljährige Dritte,
- Internetanschlussinhaber,
- illegales File-Sharing,
- illegales Filesharing
Akteure
- Urheberrechtsinhaber,
- Internetanschlussinhaber,
- volljährige Dritte
Wer haftet?
- Internetanschlussinhaber
Haftungsart
- Störerhaftung,
- Unterlassung
Haftungsumfang
- Abmahnkosten,
- Verfahrenskosten
Haftungsbegründendes Verhalten
bloße Unterhaltung eines Internetanschlusses und Überlassung an volljährige Dritte
Technische Umstände
Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Daten
Persönliche Umstände
Arglosigkeit gegenüber den Risiken rechtswidriger Internetnutzung durch Dritte
Möglichkeiten der Haftungsvermeidung
Belehrungs- bzw. Instruktionspflicht gegenüber Dritten einhalten; nach BGH jedoch keine Belehrungspflicht gegenüber volljährigen Dritten
Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung
Über das WLAN der Beklagten wurden urheberrechtlich geschützte Dateien im Wege des Filesharings heruntergeladen und öffentlich zugänglich gemacht.
Die Beklagte hatte Besuchern (konkret: ihrer volljährigen Nichte und deren volljährigen Lebensgefährten) die Nutzung ihres Internetanschlusses ermöglicht, indem sie ihnen das entsprechende Passwort mitteilte. Fest steht, dass der streitgegenständliche Film sodann von den Besuchern via Filesharing geteilt wurde.
Da eine Täterschaft der Beklagten somit ausgeschlossen ist, kommt eine Inanspruchnahme der Anschlussinhaberin nur im Rahmen der Störerhaftung in Betracht.
Als Störer kann nach der Rechtsprechung des BGH bei der Verletzung absoluter Rechte grundsätzlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung als Störer die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten voraus (juris Rn. 9) .
Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht des Landgerichts vorliegend auch gegeben.
Nach Ansicht der Richter sei vor der Überlassung des Internetanschlusses an einen volljährigen Dritten, der nicht als Familienangehöriger anzusehen ist (wozu auch die auswärts lebende, nur im Rahmen eines Besuchs anwesende, Nichte zählt und nicht lediglich deren Lebensgefährte), eine Belehrung durch den Anschlussinhaber dahingehend geboten und zumutbar, dass eine Nutzung von sog. Internet-Tauschbörsen zum illegalen Bezug urheberrechtlich geschützten Materials wie insbesondere Filmen, Musik oder Computerspielen zu unterbleiben hat.
Eine solche Belehrungspflicht stellt keine unzumutbare Belastung des Anschlussinhabers dar. Sie entspricht der gebotenen Belehrung des minderjährigen Kindes und übersteigt ebenfalls nicht die Belastung, die einem Betreiber eines WLAN- Anschlusses durch die Pflicht zur Einstellung eines sicheren Passworts für den Zugang zum Router entsteht (vergleiche BGH, 8. Januar 2014, I ZR 169/12, GRUR 2014, 657). Eine Nutzung eines überlassenen Internetanschlusses zu rechtswidrigem Filesharing ist auch keine ganz fernliegende Nutzung, an die der Anschlussinhaber nicht zu denken bräuchte. Vielmehr ist zumindest die abstrakte Kenntnis der Tauschbörsenproblematik unter Internetnutzern weit verbreitet (juris Rn.18, Orientierungssatz).
ANMERKUNGEN
Nach Ansicht des Landgerichts besteht somit gegenüber volljährigen Gästen, Mitbewohnern oder sonstigen berechtigten Dritten, die nicht unmittelbare Familienangehörige sind (worunter nach Ansicht des Gerichts auch die Nichte fällt), bei Bereitstellung des Zugriffs auf das Internet eine Belehrungspflicht hinsichtlich der Nutzung von Filesharing-Plattformen/Programmen. Komme der Anschlussinhaber dieser Belehrungs- und Instruktionspflicht nicht nach, haftet er als Störer für die über den Anschluss begangenen Rechtsverletzungen.
Der Argumentation des Landgerichts ist jedoch überholt. So hat der BGH zwar im Rahmen seiner BearShare-Rechtsprechung (Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12) angenommen, dass gegenüber volljährigen Familienangehörigen grundsätzlich keine Belehrungspflicht besteht und das unter anderem auch mit dem innerhalb einer Familie bestehenden besonderem Vertrauensverhältnis begründet (darauf bezieht sich hier auch das LG Hamburg).
In der diesem Urteil des Landgericht Hamburg nachgehenden Revisionsentscheidung hat der Bundesgerichtshof jedoch (BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 86/15 – Silver Linings Playbook) klargestellt, dass er der Eigenverantwortlichkeit volljähriger Personen eine höhere Bedeutung zumisst:
Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung ist der Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Mitglieder seiner Wohngemeinschaft oder seine volljährigen Besucher und Gäste, denen er das Passwort für seinen Internetanschluss zur Verfügung stellt, über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen (juris Rn. 19, Leitsatz).
Eine generelle Belehrungspflicht gegenüber volljährigen Dritten besteht somit nicht und ist nur in den genannten Ausnahmefällen anzunehmen.