Pflicht des Internetanschlussinhabers zur Kontrolle der von seinen minderjährigen Kindern genutzten Hardware dahingehend, ob sich darauf die von einer Abmahnung wegen illegalen Filesharings betroffenen Programme oder Dateien befinden

Gericht

AG Nürnberg

Datum

25.10.2017

Aktenzeichen

32 C 3784/17

Branche/ Lebenslage

  • Sekundäre Darlegungslast,
  • Anschlussinhaber,
  • Internetanschluss,
  • illegales File-Sharing,
  • Kind,
  • Eltern,
  • Familie,
  • Störerhaftung,
  • Kontrolle,
  • Kontrollpflicht,
  • Hardware,
  • Laptop,
  • Programme,
  • Computerprogramme

Akteure

  • Urheberrechtsinhaber,
  • Internetanschlussinhaber,
  • Familienangehörige

Wer haftet?

  • Grundsätzlich Internetanschlussinhaber

Haftungsart

Als Täter

Haftungsumfang

  • Schadensersatz (nach Lizenzanalogie i.H.v. 750 Euro),
  • Anwaltskosten/Abmahnkosten,
  • Verfahrenskosten

Haftungsbegründendes Verhalten

Bloße Unterhaltung eines Internetanschlusses und Überlassung an Dritte

Technische Umstände

Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien

Persönliche Umstände

Tatsächliche Vermutung für Täterschaft des Anschlussinhabers

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Sekundärer Darlegungslast nachkommen; im Verhältnis zu minderjährigen Kindern Dokumentationspflicht des konkreten Nutzungsverhaltens und Überprüfung der von den Kindern genutzten internetfähigen Geräte (hier: PC und Laptop) auf Vorhandensein von Filesharing-Software und eventuell heruntergeladenen Dateien

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Über das WLAN des Beklagten (festgestellt durch die Zuordnung der entsprechenden IP-Adresse im Tatzeitpunkt) wurde ein urheberrechtlich geschütztes Werk (Computerspiel) im Wege des Filesharings im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Der Anschluss wurde von der Ehefrau des Anschlussinhabers, seinem 18-jährigem Sohn sowie seiner 16-jährigen Tochter mitbenutzt. Der Haushalt verfügte über einen „Familien-PC“ sowie einen ausschließlich von den Kindern genutzten Laptop.

Die Rechteinhaberin hat den Anschlussinhaber abgemahnt und begehrt von diesem die Zahlung von Schadensersatz (i.H.v. 750 Euro) sowie Erstattung der anwaltlichen Abmahnkosten.

Nach Auffassung des AG Nürnberg bestehen die geltend gemachten Ansprüche, der Anschlussinhaber haftet mithin als Täter auf Schadensersatz.

Im Falle einer sogenannten Tauschbörse besteht dabei grundsätzlich eine Vermutung dahingehend, dass der Anschlussinhaber auch der Täter einer Rechtsverletzung ist, soweit feststeht, dass die Rechtsverletzung über den Internetanschluss begangen wurde (stRspr insbes. BGH. Urteil v. 08.01.2014, Az: I ZR 169/12 – BearShare). Diese Vermutung findet dann keine Anwendung, wenn der Internetanschluss von mehreren Personen neben dem Anschlussinhaber genutzt wird. Denn in einem solchen Fall fehlt es an der Typizität des Geschehens (BGH a.a.O.). Insoweit trifft aber den Anschlussinhaber eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Der Anschlussinhaber ist dabei verpflichtet, umfangreich dazu vorzutragen, welche anderen Personen neben ihm berechtigterweise den Internetanschluss mitnutzten, wie diese Nutzung erfolgte und inwieweit der Anschlussinhaber diesen Dritten die Nutzungsmöglichkeit eingeräumt hatte (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az: I ZR 19/14 und I ZR 75/14; BGH, Urteil vom 12.05.2016, Az: I ZR 48/15; BGH, Urteil vom 30.03.2017, Az: I ZR 19/16; jeweils zitiert nach Juris). Dabei trifft den Anschlussinhaber auch eine sogenannte Nachforschungspflicht (BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az: I ZR 169/12; BGH, Urteil vom 06.10.2016, Az: I ZR 154/15; jeweils zitiert nach Juris). Insbesondere in der zuletzt zitierten Entscheidung, der sogenannten „Afterlife“-Entscheidung hatte der BGH nähere Ausführungen zum Umfang einer solchen Nachforschungspflicht getätigt. Der BGH hatte dabei die sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf den Ehegatten des Anschlussinhabers eingeschränkt. Insbesondere sei ihm eine Dokumentation des Internetnutzungsverhaltens des Ehegattens nicht zumutbar. Auch sei ihm eine Untersuchung des Computers des Ehegattens im Hinblick auf das Vorhandensein von Filesharing-Sofware nicht abzuverlangen. Der BGH zieht insoweit sogar generell in Frage, ob der Anschlussinhaber auch bei anderen Nutzern seines privaten Internetanschlusses verpflichtet sei, deren Nutzungsverhalten nach Erhalt einer Abmahnung rückwirkend zu dokumentieren (BGH a.a.o. Randnr. 26). Ausdrücklich klargestellt hat aber der BGH (BGH a.a.o. Randnr. 27), dass der Anschlussinhaber verpflichtet ist, hinsichtlich des selbst genutzten Computers Nachforschungen anzustellen, inwieweit darauf insbesondere Filesharing Software vorhanden ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az: I ZR 75/14) (juris Rn. 19).

Das AG Nürnberg ergänzt die genannte BGH-Rechtsprechung sodann dahingehend, dass auch hinsichtlich der von minderjährigen Kindern genutzten internetfähigen Geräten eine Kontrolle durch den sorgeberechtigten Anschlussinhaber zu erfolgen habe. Im Hinblick auf die grundsätzlich gegenüber Minderjährigen bestehende Aufsichtspflicht (vgl. § 832 BGB) obliegt dem sorgeberechtigten Anschlussinhaber nicht nur eine Pflicht zur Nachfrage bzgl. der stattgefundenen Urheberrechtsverletzung. Der sorgeberechtigte Anschlussinhaber ist zusätzlich dazu verpflichtet, sowohl die selbst genutzte als auch die von den minderjährigen Kindern (mit-)genutzte Hardware zu untersuchen und zu prüfen, ob dort Inhalte vorhanden sind, welche Rückschlüsse auf eine Urheberrechtsverletzung zulassen. Dabei sei der Anschlussinhaber nicht nur zur Untersuchung der Geräte auf das Vorhandensein von Filesharing-Software, sondern speziell zur Suche des in der Abmahnung möglichst konkret bezeichneten urheberrechtlich geschützten Werkes bzw. der diesbezüglichen Dateien auf der Festplatte des jeweiligen PCs oder Laptops verpflichtet (juris Rn. 20).

Im vorliegenden Fall haben die Angaben des Anschlussinhabers zur sekundären Darlegungslast den genannten Anforderungen nicht genügt.

Zwar hat dieser auf dem eigenen und dem von den Kindern genutzten PC nach Filesharing-Software gesucht. Auch hat er im Hinblick auf das streitgegenständliche Werk – ein Computerspiel – in den installierten Anwendungen der Geräte nach einem entsprechenden Programm gesucht. Das genügt jedoch nicht. Denn ob der Download des Computerspiels vollständig erfolgt war, ist unbekannt. Vielmehr hätte der Anschlussinhaber die Geräte auch nach entsprechenden Dateien (ohne dass das Spiel installiert gewesen wäre) untersuchen müssen. So wäre es also naheliegend gewesen, insbesondere nach einer großen Datei auf der Festplatte zu suchen. Auch die Bezeichnung der Datei dürfte in der Regel mit dem Computerspielnamen zumindest teilidentisch gewesen sein. „Daher wäre es auch die Pflicht des Anschlussinhabers gewesen, nicht nur nach der installierten Anwendung, sondern nach den eigentlichen Dateien zu suchen (so auch BGH, Urteil v. 11.6.2015 Az.: I ZR 75/14, zitiert nach Juris)“ (juris Rn. 21). Besondere technische Fähigkeiten seien hierfür nicht erforderlich. Die Suche nach einer solchen Datei sei mit den bordeigenen Mitteln von bspw. Windows unproblematisch möglich.

Auch ansonsten sei der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Zwar sei es ihm aufgrund der sog. Afterlife-Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15) nicht zuzumuten, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen (und dessen PC auf das Vorhandensein von Filesharing-Software zu überprüfen). Doch gelte dies nach Auffassung des AG Nürnberg nicht ohne Weiteres auch im Verhältnis zu seinen minderjährigen Kindern. Für die Frage der Zumutbarkeit ist dabei auf den Zeitpunkt der Abmahnung abzustellen. Denn nur, wenn die Abmahnung zeitnah zugeht, kann der Anschlussinhaber zumutbar überprüfen, wer, wann und wie das Internet genutzt hat. Je länger die Abmahnung zurück liegt, desto geringer sind die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast. Vorliegend erfolgte die Abmahnung zwei Monate nach den Verletzungshandlungen. Der Beklagte wäre nach Ansicht des Amtsgerichts zum damaligen Zeitpunkt durchaus in der Lage gewesen, das konkrete Nutzungsverhalten seiner Kinder zu dokumentieren bzw. vorzutragen (juris Rn. 22).

Zuletzt trifft das Gericht noch Ausführungen zur Berechnung des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie (juris Rn. 24).

ANMERKUNGEN

Das AG Nürnberg konkretisiert und ergänzt mit der vorliegenden Entscheidung die insofern relevante Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife) zu den Anforderungen an die dem Inhaber eines Internetanschlusses obliegende sekundäre Darlegungslast. So besteht eine Pflicht des Internetanschlussinhabers zur Untersuchung der von seinen minderjährigen Kindern genutzten Hardware (also den internetfähigen Endgeräten) zum einen dahingehend, ob darauf eine Filesharing-Software vorhanden ist. Zum anderen – und das stellt das AG Nürnberg klar – müsse der Anschlussinhaber die entsprechenden Geräte auch daraufhin überprüfen und untersuchen, ob sich darauf die von einer etwaigen Abmahnung betroffenen Programme und insbesondere Dateien befinden. Daneben hätte der Anschlussinhaber anders als gegenüber seinem Ehegatten gegenüber seinen minderjährigen Kindern die Pflicht zur Dokumentation deren konkreten Nutzungsverhaltens.

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