Keine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit der Zurverfügungstellung einer Werbeblocker-Software im Internet gegenüber einem kostenfreien, nachrichtenfinanzierten Werbesender

Gericht

LG Hamburg

Datum

25.11.2016

Aktenzeichen

315 O 293/15 (nicht rechtskräftig)

Branche/ Lebenslage

  • Branche/Lebenslage Internet,
  • Werbeblocking,
  • Ad-Block,
  • Whitelisting,
  • Blacklisting

Akteure

  • Akteure Werbeblocker-Vertreiber,
  • Webseiten-Betreiber

Wer haftet?

  • Wer haftet? Kein Wettbewerbsverstoß bei Vertrieb von Werbeblocker-Software, auch nicht bei sog. „Whitelisting“-Funktion (siehe Erklärung unten)

Haftungsart

Haftungsumfang

Haftungsbegründendes Verhalten

Haftungsgrund?
• haftungsbegründendes Verhalten Werbeblocker müssen zunächst durch Kunden installiert werden; sie stellen keine unlautere Behinderung von Webseiten-Betreibern dar.

Technische Umstände

Haftungsgrund?
• technische Umstände Werbeblocking kann die Nutzung von Werbeinhalten wirtschaftlich beeinträchtigen

Persönliche Umstände

Haftungsgrund?
• persönliche Umstände Der Werbeblocking-Software-Vertreiber blockiert selbst keine Inhalte, das geschieht erst durch den Kunden selbst, der die Software installieren muss

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Haftungsgrund?
• Möglichkeiten der Haftungsvermeidung Werbeblocker sollten grundsätzlich so gestaltet sein, dass dessen Funktion durch den Nutzer selbst installiert und initiiert werden muss; das Haftungsrisiko wird zudem minimiert, soweit dem Nutzer auch über den Einsatz einer Whitelist die letzte Entsch

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Der Kläger (Webseiten-Betreiber) wendete sich gegen die Zurverfügungstellung eines sog. „Ad-Blockers“, durch dessen Installation Internetnutzer Werbeinhalte von Webseiten blockieren konnten. Der Ad-Blocker wurde im Zusammenhang mit einer sog. „Whitelist“ vertrieben. Über die „Whitelist“-Funktion können für bestimmte Webseiten Werbeanzeigen von der Blockade durch sog. Ad-Blocker ausgenommen werden. Diese Freischaltung kann entweder durch die Nutzer selbst erfolgen oder durch den Werbeblockbetreiber voreingestellt (meist gegen finanzielle Gegenleistung der betroffenen Seiten) werden.

Das Gericht sah in dem Vertrieb der Ad-Blocker keinerlei Rechtsverletzung:


(1) Die Beklagte handelt nicht in Schädigungsabsicht. Ein Handeln mit unmittelbarer Schädigungsabsicht kann nicht allein deswegen angenommen werden, weil das Angebot der Beklagten auf die Umsätze der Klägerin auf dem Werbemarkt einwirkt. Wirtschaftliche Schäden, die einem Mitbewerber durch Angebote von Konkurrenten zugefügt werden, weil sich Umsätze verringern oder abgezogen werden, sind dem Wettbewerb immanent.


(2) Die Beklagte beeinträchtigt nicht die Möglichkeiten der Klägerin, ihr Angebot am Markt durch eigene Anstrengungen in angemessener Weise zur Geltung zu bringen.

Es besteht keine Pflicht des Internetnutzers, Werbung zu rezipieren. Eine solche Pflicht besteht weder bei werbefinanzierten und somit für den Konsumenten kostenlosen Inhalten, noch wenn die Werbung der Finanzierung wichtiger Informationsmedien dient.

Zudem ist die Schutzwürdigkeit der Klägerin von vornherein eingeschränkt. Die Klägerin kann Internetnutzer, die einen Werbeblocker aktiviert haben, vom Besuch ihrer Webseite ausschließen. Da die Klägerin die Wahrnehmung ihrer Inhalte nicht durch technische Schutzmaßnahmen absichert, sondern ohne Einschränkung frei zugänglich ins Internet stellt, muss die Klägerin auch solche Nutzungshandlungen dulden, welche die von ihr beabsichtigte Finanzierung durch Werbung unterlaufen.

Auch das Modell des „Whitelisting“ führte zu keiner unterschiedlichen Beurteilung:

Beim Whitelisting wird zwar ein erheblicher Anreiz ausgeübt, für die Freischaltung der Werbung zu zahlen. Dieses Verhalten ist aber nicht unausweichlich. Die Klägerin ist gerade nicht gezwungen, die Vereinbarung abzuschließen und die Vergütung zu entrichten.

Auch das Verlangen einer Vergütung ist rechtlich zulässig und wird nicht dadurch unzulässig, dass die Vergütung nur anfällt, weil zuvor die Aufnahme in eine Blockier-Liste stattgefunden hat.

Das Vertreiben von nicht differenzierenden Werbeblockern ist rechtlich zulässig.

Das Gericht sah in dem Geschäftsmodell auch nicht die Gefahr, dass journalistische Beiträge im Internet verdrängt werden könnten. Zwar beeinträchtige der Werbeblocker das herkömmliche Finanzierungsmodell von journalistischen Webseiten. Es fehle aber an Anhaltspunkten dafür, dass dadurch journalistische Angebote im Internet grundsätzlich nicht mehr realisierbar sind. Es sei nicht die Möglichkeit verwehrt, über eigene technische Einstellungen oder Umstellungen, dem Nutzer die eigenen Inhalte nur bei gleichzeitiger Zulassung der Werbung zu gewähren.

ANMERKUNGEN

Das Gericht lehnte eine unzulässige Geschäftspraxis durch den Vertrieb der Werbeblock-Software sowohl aus wettbewerbsrechtlicher, kartellrechtlicher, als auch deliktischer Sicht oder dem Gesichtspunkt der allgemeinen Marktstörung ab.

Das LG-Hamburg sah in einem Werbeblocker lediglich ein technisches Hilfsmittel, in der Software selbst sei noch keine gezielte Behinderung von Marktteilnehmern zu sehen.

Anders als das LG-Hamburg in einer früheren Entscheidung (21.04.2015, 416 HKO 159/14) ließ sich das Gericht nicht mehr auf eine Einordnung des Werbeblockers als geschäftliche Handlung oder dem Wettbewerbsverhältnis der streitenden Parteien ein. In der weiteren Begründung folgte das Gericht allerdings der früheren Entscheidung.

Das Gericht erkannte keine produktbezogene Behinderung. Es würden auch mit technischen Möglichkeiten keine Manipulationen am Produkt oder dessen Gestaltung vorgenommen, vielmehr würden lediglich gewisse Inhalte unterschiedlicher Server in der Gesamtdarstellung im Browser nicht mehr eingeblendet.

Das Gericht befand es für mitentscheidend, dass die Werbeblock-Software vorrangig dem Interesse des Nutzers dient, selbst zu bestimmen, welche Inhalte ihm angezeigt werden sollen. Da hierüber auch personalisierte Werbung unterdrückt werden könne, werde auch den datenschutzrechtlichen Interessen des Nutzers entsprochen.

Auch das sog. „Whitelisting“ sah das Gericht wegen der Alternativmöglichkeiten, die sich dem Webseiten-Betreiber böten, nicht als unzulässige Behinderung an.

Die Entscheidung lehnt sich eng an die vom BGH aufgestellten Grundsätze in der „Fernseh-Fee“-Entscheidung (BGH, 24.06.2004, I ZR 26/02) an.

Entwicklung: Aufgrund der wenigen Entscheidungen zum Werbeblocking. lässt sich eine Tendenz der Gerichte nur schwer ausmachen. Die jüngste Entscheidung des BGH zum Thema Werbeblocking ist gegenwärtig noch nicht veröffentlicht, vgl. Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle, Nr. 78/218.

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