Kein Erfordernis der Bereitstellung eines separaten Telefon- und Internetanschlusses für Betriebsrat wegen potentieller Überwachungs- und Kontrollmöglichkeit durch Arbeitgeber, kein Erfordernis des Vorhaltens eines uneingeschränkten Internetzugangs für Betriebsrat

Gericht

LAG Niedersachsen

Datum

30.07.2014

Aktenzeichen

16 TaBV 92/13

Branche/ Lebenslage

  • Betriebsrat,
  • separater Telefon- und Internetanschluss,
  • Arbeitgeber,
  • Kontrolle, Überwachung

Akteure

  • Arbeitgeber,
  • Betriebsrat

Wer haftet?

  • Keine Pflicht des Arbeitgebers,
  • dem Betriebsrat einen separaten Telefon- und Internetanschluss zur Verfügung zu stellen

Haftungsart

Haftungsumfang

Haftungsbegründendes Verhalten

Der Betriebsrat hat mit seiner Forderung nach einem separaten Internet- und Telefonzugang die Interessen des Arbeitgebers an einer einheitlich gesteuerten Sicherheitsbetreuung der Software zum Schutz vor Viren und Angriffen nicht ausreichend berücksichtigt

Technische Umstände

Zumindest abstrakt betrachtet wäre eine Überwachung der Internet- und Telefonkommunikation bei nicht separaten Anschlüssen möglich

Persönliche Umstände

Möglichkeiten der Haftungsver-meidung

Soweit lediglich abstrakt die Möglichkeit einer Überwachung der Telefon- und Internetkommunikation des Betriebsrats durch den Arbeitgeber gegeben ist, genügt das nicht, um separate Anschlüsse verlangen zu können

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Streitgegenstand war die Forderung des Betriebsrats an den Arbeitgeber, separate Kommunikationsanschlüsse für das Büro des Betriebsrats zur Verfügung zu stellen. Eine systemische Verbindung mit den anderen EDV-Systemen des Arbeitgebers sollte es nicht geben.

Das Gericht wies jedoch die Forderung des Betriebsrats als unzulässig zurück. Insbesondere habe der Betriebsrat nicht das überwiegende Interesse des Arbeitgebers an einer einheitlichen Sicherheitsstruktur für die Kommunikationsanschlüsse des Unternehmens gedacht:

Die Anträge des Betriebsrats sind unbegründet. Die Arbeitgeberin ist weder verpflichtet, dem Betriebsrat einen separaten Internetzugang einzurichten, noch ist sie gehalten, ihm statt des Nebenstellenanschlusses einen von der im Betrieb genutzten Telefonanlage unabhängigen Telefonanschluss zur Verfügung zu stellen.

Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen.

Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) steht einer Vermutung entgegen, dass die Betriebsparteien das Internet missbräuchlich nutzen. Ebenso wenig wie die rein theoretische Möglichkeit der sachfremden Nutzung des Internetanschlusses durch Betriebsratsmitglieder dem Anspruch des Betriebsrats auf einen Internetzugang von vornherein entgegensteht (BAG 20. Januar 2010 – 7 ABR 79/08 – Rn. 24, BAGE 133, 129), kann dem Arbeitgeber ohne Weiteres unterstellt werden, dass er die Internetaktivitäten des Betriebsrats einschließlich des E-Mail-Verkehrs unzulässigerweise kontrolliert und damit den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit missachtet.

Es liegt im berechtigten Interesse der Arbeitgeberin, dass der Betriebsrat Internetrecherchen und seinen E-Mail-Verkehr über das von ihr geschützte technische Netzwerk durchführt, um den von ihr für erforderlich gehaltenen Sicherheitsstandard der IT-Systeme zu gewährleisten.

ANMERKUNGEN

Es handelt sich um eine Entscheidung zu der Frage, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Betriebsrat einen separaten Telefon- und Internetanschluss einschließlich eines unkontrollierbaren E-Mail-Verkehrs zur Verfügung zu stellen.

Grundlage für die Beurteilung ist § 40 Abs. 2 BetrVG.

Dem BAG nach gibt es keine Verpflichtung, dem Betriebsrat einen separaten Telefon- und Internetanschluss zur Verfügung zu stellen, zumindest soweit lediglich eine abstrakte Gefahr besteht, dass die Telefon- und Internetnutzung kontrolliert werden kann.

Nach den Grundsätzen des BAG bedarf es, um einen separaten Anschluss verlangen zu können, konkreter Anhaltspunkte, aufgrund derer unterstellt werden kann, dass der Arbeitgeber von der technischen Überwachungsmöglichkeit der Internetnutzung in unzulässiger Weise Gebrauch macht und er insbesondere Inhalte der vom Betriebsrat versendeten oder an den Betriebsrat gerichteten E-Mails zur Kenntnis nimmt und ggf. auswertet.

Einer vorigen Entscheidung des BAG (18.07.2012, 7 ABR 23/11) zufolge kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber zumindest verlangen, dass der Internetzugang über einen nicht personalisierten Zugang gewährleistet wird, um auszuschließen, dass später nachvollzogen kann, welche Personen welche Inhalte aufgerufen haben.

Praxishinweis: Konnte nach vorinstanzlicher Entscheidung noch keine sichere Einschätzung der Auswirkungen für die Praxis gemacht werden (vgl. Spitz, jurisPR-ITR 18/2014 Anm. 7), so liegt mit diesem Beschluss nun eine höchstrichterliche Entscheidung vor. Da sämtliche Instanzen die Entscheidung der Erstentscheidung bestätigt haben, ist nun von einer gesicherten Rechtsprechung auszugehen.

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