Haftung des Internetanschlussinhabers wegen Sicherheitslücke im Router und damit zusammenhängender Begehung von Rechtsverletzungen durch unbefugte Dritte

Gericht

AG Braunschweig

Datum

27.08.2014

Aktenzeichen

117 C 1049/14

Branche/ Lebenslage

  • Internetanschlussinhaber,
  • Filesharing,
  • Urheberrechtsverletzung,
  • Täterschaft,
  • tatsächliche Vermutung,
  • sekundäre Darlegungslast,
  • Sicherheitslücke,
  • Router,
  • Schadensersatz

Akteure

  • Urheberrechtsinhaber,
  • Internetanschlussinhaber,
  • unberechtigte Dritte

Wer haftet?

unberechtigte DritteWer haftet?

Grundsätzlich Anschlussinhaber als Täter – nicht jedoch bei Erfüllung der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast – vorliegend keine Haftung

Haftungsart

  • Schadensersatz,
  • Aufwendungsersatz (Abhmahnkosten)

Haftungsumfang

  • 600 Euro Schadensersatz (-),
  • 506 Euro Abmahnkosten (-)

Haftungsbegründendes Verhalten

bloße Unterhaltung eines Internetanschlusses, deshalb Vermutung für Begehung der Urheberrechtsverletzung

Technische Umstände

Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Daten

Persönliche Umstände

Vermeintlich täterschaftliche Begehung der Urheberrechtsverletzung

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Einhaltung der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

In der vorliegenden Entscheidung des AG Braunschweig geht es vor allem um die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers.

Über den Internetanschluss des Beklagten wurden via Filesharing/Online-Tauschbörse über einen gewissen Zeitraum mehrmals urheberrechtlich geschützte Dateien zum Download angeboten. Die Rechteinhaberin begehrt vom Anschlussinhaber Schadensersatz und Aufwendungsersatz (anwaltliche Abmahnkosten) mit dem Argument, dieser hätte die Rechtsverletzungen selbst, also täterschaftlich, begangen.

Zwar besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Inhaber eines Internetanschlusses als Täter für Rechtsverletzungen über diesen Anschluss verantwortlich ist. Diese Vermutung kann der Anschlussinhaber jedoch im Rahmen seiner sog. sekundären Darlegungslast erschüttern. Dazu muss er einen Sachverhalt vortragen, der es möglich erscheinen lässt, dass Dritte die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen begangen haben.

Im vorliegenden Fall hat der Anschlussinhaber einen Sachverhalt vorgetragen, der es möglich erscheinen lässt, dass sich unbefugte Dritte über die Sicherheitslücke seines Routers Zugang zu seinem Internetanschluss verschafft und die Verletzungshandlungen begangen haben. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dem von ihm benutzten Router um ein Modell handelt, hinsichtlich dessen zu einem späteren Zeitpunkt eine Sicherheitslücke bekannt wurde (unter anderem durch Produktwarnungen der Telekom und eines IT-Newsdienstes). Diese Sicherheitslücke ermögliche es Dritten, sich auf einfache Weise Zugang zu dem Netzwerk zu verschaffen. Darüber hinaus trug der Beklagte vor, er hätte die Variante einer automatischen Konfiguration gewählt.

Das AG Braunschweig hat diesen Vortrag als ausreichend erachtet, so dass keine tatsächliche Vermutung mehr für die Täterschaft des Anschlussinhabers vorliege.

ANMERKUNGEN

Das AG Braunschweig zeigt, wie die vom Bundesgerichtshof in der BearShare-Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12) aufgestellten Grundsätze hinsichtlich des Umfangs der sekundären Darlegungslast des Internetanschlussinhabers (Fortführung durch BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III) in der Praxis umzusetzen sind. So genügt es, die Umstände, die zur eigenen Entlastung führen, schlicht vorzutragen. Insbesondere könne von einem (privaten) Anschlussinhaber nicht verlangt werden, dass dieser sich nach mehreren Jahren noch exakt an die Modalitäten der Einrichtung seines Netzwerkes erinnert. Vielmehr hat hier der Verweis auf die automatische Konfiguration gereicht, um die bestehende Sicherheitslücke zu belegen. Ein Vortrag konkreter technischer Details zur Einrichtung wurde nicht erwartet.

Vergleiche weiterführend zur vorliegenden Entscheidung und den von ihr aufgestellten Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers Engels, ITRB 2014, 254.

Schließlich gilt es noch auf die Entscheidungen der nachgehenden Instanzen hinzuweisen:

  • LG Braunschweig, Urt. v. 01.07.2015 – 9 S 433/14, 9 S 433/14 (59) – Filesharing
    (Inhalt: Beweisbelastung des Rechteinhabers; sekundäre Darlegungslast und Umfang der Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers)
  • BGH, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife
    (Inhalt: Reichweite der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen; Zumutbarkeit der Dokumentation der Internetnutzung des Ehegatten)
  • BGH, Beschl. v. 18.05.2017 – I ZR 154/15
    (Inhalt: Anhörungsrüge: Sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers hinsichtlich der Anschlussnutzung durch den Ehegatten).

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