Einordnung von Programmcodes zur Umgehung von Adblocker-Erkennungssoftware als Vorrichtungen zur Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen i.S.d. § 95a Abs. 3 UrhG

Gericht

LG Hamburg

Datum

22.10.2015 (einstweilige Verfügung), 03.12.2015 (bestätigendes Urteil)

Aktenzeichen

308 O 375/15

Branche/ Lebenslage

  • Ad-Blocker,
  • Umgehung,
  • Programmcodes zur Umgehung von Werbeblockern,
  • Filter,
  • Urheberrecht

Akteure

  • Forum-Betreiber,
  • Webseiten-Betreiber

Wer haftet?

  • Forum-Betreiber

Haftungsart

  • Unterlassung

Haftungsumfang

  • Unterlassung,
  • Verfahrenskosten

Haftungsbegründendes Verhalten

Entwicklung und Verbreitung von Programmiermöglichkeiten, um die Softwareverschlüsselung des Webseiten-Betreibers zu umgehen

Technische Umstände

Die Codes und Filterregeln zur Umgehung der Softwareverschlüsselung des Webseiten-Betreibers konnten urheberrechtlich relevante, gesperrte Nutzungen wieder ermöglichen

Persönliche Umstände

Die Entwicklung und Verlinkung von Filterlisten und Programmcodes dienten ausschließlich der Umgehung der Softwareverschlüsselung des Webseiten-Betreibers

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Grundsätzlich dürfen keinerlei Umgehungsmechanismen entwickelt werden, um technische Sicherungseinrichtungen anderer zu umgehen

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Die Antragstellerin wendete sich gegen das Zurverfügungstellen einer Filterliste zur Blockierung von Werbeinhalten im Internet (parallel vertrieb die Antraggegnerin auch sog. Werbeblocker/Ad-Blocker) sowie die Preisgabe von Informationen bzw. Programmcodes im Internet. Mit den Informationen bzw. Programmcodes wurde es Nutzern ermöglicht, die von der Antragstellerin ergriffenen Schutzprogrammierung gegen Ad-Blocker zu umgehen.

Das Gericht gab der Antragstellerin Recht, indem es annahm, dass das angegriffene Verhalten eine verbotene Umgehungshandlung im Sinne des § 95a UrhG darstelle:

Die Veröffentlichung von Filterregeln zur Umgehung dieser technischen Maßnahme der Antragstellerin stellt eine verbotene Umgehungshandlung im Sinne des § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG dar. Danach ist unter anderem die Verbreitung von Erzeugnissen verboten, die hauptsächlich dazu entworfen werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Der hier in Rede stehende […] Code ist allein dazu entworfen, den Schutzmechanismus der Antragstellerin zu umgehen.

Dass die streitgegenständlichen Filterregeln nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit der Filterliste und der Werbeblocker-Software der Antragsgegnerin zu der Umgehung geeignet sind, steht der Einordnung als Umgehungsmittel im Sinne des § 95a Abs. 3 UrhG nicht entgegen.

ANMERKUNGEN

Es handelt sich um die Bestätigung der durch das LG Hamburg entschiedenen einstweiligen Unterlassungsverfügung vom 22.10.2015 (308 O 375/15). In der Unterlassungsverfügung wurde der Beklagten untersagt, Programmcodes sowie Links hierzu oder Filterlistenbefehle zu verbreiten, die die Umgehung einer Softwareverschlüsselung ermöglichte beziehungsweise deren Einrichtung unterstützte.

Maßgeblich war die Frage, inwiefern das Erstellen und Verbreiten von Filterlisten und Programmcodes zur Umgehung einer Softwareverschlüsselung einen Verstoß gegen § 95a UrhG darstellt. Das Gericht stellte fest, dass ein technisches Sicherungssystem nicht erst dann gegeben ist, wenn es sich nicht umgehen lässt, andernfalls wäre § 95a UrhG ohne Anwendungsbereich. Für die Wirksamkeit des Sicherungssystems käme es auf die Möglichkeiten der durchschnittlichen Nutzer an, diese zu umgehen. Programmierkenntnisse gehörten hierfür im Internet schon zu den über dem Durchschnitt liegenden Fähigkeiten.

Die urheberrechtliche Relevanz des technischen Sicherungssystems sah das Gericht in der Absicht, sowohl Abspeicherungen im Arbeitsspeicher als auch die Erstellung von Bildschirmkopien – beides Vervielfältigungen – zu unterbinden. Ob eine Nutzung über die Schrankenprivilegierung des § 44a UrhG erlaubt wäre, sei im Rahmen des § 95a UrhG ohne Belang; § 95b UrhG bringe den Vorrang der technischen Schutzmaßnahme durch Nichtauflistung des § 44a UrhG zum Ausdruck.

Auch die Verknüpfung der Programmcodes und Filterregeln zur Umgehung der Softwareverschlüsselung mit dem legitimen Zweck des Werbeblockens führte nicht zu einem anderen Ergebnis, soweit die Filterregeln und Programmcodes für sich einzig und allein die Umgehung der Verschlüsselung beabsichtigten. (Das gleichzeitig angebotene Werbeblocking-Programm des Forum-Betreibers wurde gerade nicht gerügt.)

Eine Haftung der Forum-Betreiberin war gegeben, obwohl der Eintrag nicht von der Betreiberin selbst, sondern durch einen Nutzer des Forums eingestellt worden war. Diesen Eintrag hatte sich die Betreiberin „zu-eigen-gemacht“, indem der Nutzer von der Forum-Betreiberin Moderationsrechte zugesprochen bekommen hatte. Darüber hinaus bejahte das Gericht auch eine Haftung nach § 831 BGB aufgrund der Einordnung des Moderators als Verrichtungsgehilfe.

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