Gericht
LG München
Datum
20.04.2017
Aktenzeichen
7 O 14719/12
Branche/ Lebenslage
- Störerhaftung,
- WLAN,
- freies W-LAN,
- W-LAN-Hotspot,
- ungesicherter Internetanschluss,
- ungesicherter Internetzugang,
- Freifunker,
- gewerblich,
- gewerblicher Betrieb,
- Werbezwecke,
- Werbung,
- Internetanschlussinhaber,
- illegales Filesharing,
- illegales File-Sharing,
- E-Commerce-Richtlinie,
- Anwendungsbereich,
- Europarecht
Akteure
- Urheberrechtsinhaber,
- Internetanschlussinhaber,
- Dritte
Wer haftet?
- Grundsätzlich Internetanschlussinhaber
Haftungsart
- Störerhaftung und Unterlassung
Haftungsumfang
- Grundsätzlich Anwaltskosten/Abmahnkosten (hier i.H.v. 506 Euro),
- Verfahrenskosten
Haftungsbegründendes Verhalten
Bloße Unterhaltung eines ungesicherten Internetanschlusses und Überlassung an Dritte
Technische Umstände
Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien
Persönliche Umstände
Arglosigkeit gegenüber Möglichkeiten der rechtswidrigen Nutzung durch Dritte
Möglichkeiten der Haftungsvermeidung
Ausreichende Sicherung des Netzwerkes durch Passwort und Identitätsfeststellung der Nutzer
Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung
Über das freie bzw. ungesicherte WLAN des Klägers wurde eine urheberrechtlich geschützte (Musik-)Datei im Wege des Filesharings im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Der Inhaber des Internetanschlusses wurde von der Rechteinhaberin sodann abgemahnt. Diese begehrt von ihm die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die Zahlung von Schadensersatz sowie Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (anwaltliche Abmahnkosten).
Die Kammer des LG München hat den Rechtsstreit ausgesetzt und mit Beschl. v. 18.09.2014 – 7 O 14719 dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Anhand der Ausführungen des EuGH (vgl. Urt. v. 15.09.2016 – C-484/14 – McFadden) kommt das Landgericht zu folgendem Ergebnis:
Eine Haftung des Klägers als Täter und somit auf Schadensersatz scheidet aus. Der Anschlussinhaber hat mehrmals erklärt, die entsprechende Urheberrechtsverletzung nicht begangen zu haben. Die Datei sei auf keinem seiner Rechner gespeichert. Dort befinde sich auch keine Filesharing-Software. Das Gericht war in der Folge davon überzeugt, dass der Anschlussinhaber nicht der Täter war (jedenfalls aber wohl auch aufgrund des Umstands, dass das WLAN ungesichert war, s. dazu insbesondere Rechtsprechung des BGH zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers, Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12 – BearShare, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife).
Der Kläger kann von der Rechteinhaberin jedoch im Rahmen der Störerhaftung auf Unterlassung und Erstattung der Anwaltskosten in Anspruch genommen werden (juris Rn. 54 ff.):
Die „Sommer unseres Lebens“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08) sei nicht nur auf Privatpersonen, sondern auch auf Gewerbetreibende anzuwenden. Der Betreiber eines WLANs sei dann als Störer anzusehen, wenn er sein Netzwerk unzureichend sichert und dadurch einem außenstehenden Dritten ermöglicht, etwaige Urheberrechte anderer zu verletzen.
Im vorliegenden Fall war der Internetzugang des Klägers nicht gesichert. Dieser gab an, er hätte die Intention gehabt, das WLAN seinen Besuchern, umliegenden Nachbarn und deren Besuchern als Service anzubieten. Er sei davon überzeugt, dass der Zugang zum Internet frei sein sollte.
Nach Auffassung des LG München (und des EuGH) war der Kläger jedoch zur Sicherung seines Anschlusses verpflichtet. Die Ansicht, dass ein Anbieter seinen Internetanschluss nicht sichern müsse, liefe darauf hinaus, dem Grundrecht des Rechteinhabers auf geistiges Eigentum jeden Schutz zu entziehen. Daran ändere weder das Telemediengesetz noch die E-Commerce-Richtlinie etwas. Zwar greifen vorliegend entsprechende Vorschriften der Richtlinie (Art. 12 Abs. 1 ECRL), die den WLAN-Anbieter haftungstechnisch privilegieren, wenn die Leistung des WLAN-Angebots vom Anbieter zumindest zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird (vgl. EuGH, Rz. 34, 43) – das WLAN des Klägers diente vorliegend zumindest auch Werbezwecken. Allerdings sei nach diesen Vorschriften zwar eine Haftung auf Schadensersatz, nicht jedoch auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten ausgeschlossen, was insbesondere durch Art. 12 Abs. 3 ECRL klargestellt werde (juris Rn. 60 ff.).
Dabei hat der EuGH festgestellt, dass die Verpflichtung zur Passwortsicherung hinreichend wirksam ist, wenn die Nutzer des WLAN-Anschlusses gleichzeitig ihre Identität offenbaren müssen, wenn sie das Passwort zu erhalten wollen (EuGH Rz. 96). Denn es reicht aus, dass die getroffenen Maßnahmen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände zumindest erschwert werden (EuGH Rz. 95). Passwortsicherung mit Identitätsfeststellung ist auch verhältnismäßig (EuGH Rz. 91) (juris Rn. 62).
Im Ergebnis haftet der Anschlussinhaber der Rechteinhaberin somit zwar nicht auf Schadensersatz, jedoch auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten.
ANMERKUNGEN
Das Landgericht München bejaht vorliegend eine Haftung als Störer für von Dritten begangene Urheberrechtsverletzungen bei Betrieb eines ungesicherten W-LAN-Netzwerkes zu Werbezwecken bzw. als Freifunker.
Der Anschlussinhaber hat vorliegend sowohl aus gewerblichen als auch idealistischen bzw. altruistischen Motiven ein ungesichertes WLAN betrieben. Nach der vorliegenden Entscheidung des LG München und der Vorabentscheidung des EuGH wäre er jedoch zu einer Verschlüsselung bzw. Absicherung verpflichtet gewesen.
Zu beachten ist, dass sich der vorliegende Fall (ungeachtet der europäischen Einflüsse der E-Commerce-Richtlinie) noch mit der alten nationalen Rechtslage auseinandersetzt. Insbesondere nach Einführung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes v. 28.09.2017 (BGBl 2017 I Nr. 67, 3530 f.) wird sich eine Störerhaftung bzw. Haftung auf Unterlassen des Betreibers eines ungesicherten/freien WLAN wohl nicht mehr aufrechterhalten lassen (vgl. hierzu insbesondere auch die nachgehende Entscheidung des OLG München, Urt. v. 15.03.2018 – 6 U 1741/17 zur neuen Rechtslage). Es wurde jedoch gleichzeitig die Möglichkeit eines Anspruchs auf Netzsperren gegen den WLAN-Anbieter nach § 7 Abs. 4 TMG eingeführt.
Zu erwähnen sind im Rahmen der vorliegenden Entscheidung noch die äußerst relevanten vor- und nachgehenden Instanzen:
vorgehend LG München, Beschl. v. 18.09.2014 – 7 O 14719, EuGH-Vorlage,
vorgehend EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-484/14 – McFadden,
nachgehend OLG München, Urt. v. 15.03.2018 – 6 U 1741/17,
anhängig BGH, I ZR 53/18.