Verpflichtung des Arbeitnehmers auf Weisung des Arbeitgebers zur Beantragung einer qualifizierten elektronischen Signatur und Nutzung einer elektronischen Signaturkarte

Gericht

BAG

Datum

25.09.2013

Aktenzeichen

10 AZR 270/12

Branche/ Lebenslage

  • Arbeitnehmer,
  • Arbeitgeber,
  • Weisungsrecht,
  • Beantragung einer elektronischen Signatur und Nutzung einer elektronischen Signaturkarte

Akteure

  • Arbeitnehmer,
  • Arbeitgeber

Wer haftet?

  • Anweisung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, eine elektronische Signaturkarte zu verwenden, ist wirksam

Haftungsart

Haftungsumfang

  • Verfahrenskosten

Haftungsbegründendes Verhalten

Soweit der Arbeitgeber nicht missbräuchlich vorschreibt, dass der Arbeitnehmer eine elektronische Signatur zu beantragen hat, hat der Arbeitnehmer dieser Anweisung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Folge zu leisten

Technische Umstände

Persönliche Umstände

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Die Anweisung an den Arbeitnehmer, eine elektronische Signaturkarte zu verwenden, setzt voraus, dass diese zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Der Arbeitnehmerin wurde durch den Arbeitgeber vorgeschrieben, eine elektronische Signaturkarte bei einem (privatwirtschaftlich organisiertem) Tochterunternehmen zu beantragen. Die Arbeitnehmerin befürchtete, dass mit den in diesem Rahmen weiterzugebenen persönlichen Daten Missbrauch betrieben werden könnte und verweigerte daher die Ausführung der Anweisung.

Das Gericht hielt die Anweisung durch den Arbeitgeber allerdings für zulässig. Zumindest soweit die Verwendung einer elektronischen Signaturkarte zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist, könne deren Verwendung auch verlangt werden. Dies sei Teil des arbeitgeberrechtlichen Weisungsrechts:

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Die Veröffentlichung von Ausschreibungsunterlagen unter Einsatz einer elektronischen Signaturkarte gehört zum vertraglich vereinbarten Aufgabenbereich der Klägerin.

Die Beklagte selbst erhebt, verarbeitet oder nutzt im Zusammenhang mit der Beantragung des qualifizierten Zertifikats mit qualifizierter elektronischer Signatur und der Erstellung der Signaturkarte keine Daten iSd. Bestimmungen des BDSG.

[Es] sind die betroffenen Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers im Sinne einer praktischen Konkordanz so abzuwägen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.

Dem Gericht obliegt nicht die Prüfung, ob die Weisung der Beklagten die beste, effizienteste oder wirtschaftlich vernünftigste Lösung darstellt. Im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts steht dem Arbeitgeber ein nach billigem Ermessen auszufüllender Entscheidungsspielraum zu.

In das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung wird durch die streitgegenständliche Weisung eingegriffen, weil die Klägerin nicht mehr frei entscheiden kann, wann sie wem welche Daten zur Verfügung stellt. Durch die Weisung wird sie verpflichtet, einem von der Beklagten ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter die aus dem Personalausweis ersichtlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Dieser Eingriff ist der Klägerin zumutbar.

ANMERKUNG

Grundlage der Entscheidung sind die Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers im Rahmen des Weisungsrechts, § 106 GewO. Das Gericht sah in der Anweisung, bestimmte personenbezogene Daten an ein Drittunternehmen weiterzugeben, um die elektronische Signaturkarte zu erhalten, keinen Verstoß gegen datenrechtliche Bestimmungen. Zu beachten ist allerdings, dass diese Beurteilung nach dem (alten) BDSG vorgenommen wurde. Seit dem 25.05.2018 gilt an dessen Stelle die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSG-VO). Das Gericht stufte die Arbeitgeberin nicht als verantwortliche Stelle im Sinne des BDSG a.F. ein. Sie schreibe lediglich die Beschaffung einer elektronischen Signaturkarte vor. Sie bearbeite, verschaffe oder verarbeite allerdings die hierfür erforderlichen Daten nicht, sondern die Tochtergesellschaft.

Ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen wurde auch nicht in der Verarbeitung der Daten durch die Tochtergesellschaft gesehen. Eine Einwilligung zur Datenverarbeitung konnte rechtswirksam in einer vertraglichen Grundlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen. Es spricht auch nicht grundsätzlich gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung, dass sie die Herausgabe von Daten an Dritte forderte. Das gelte insbesondere für den vorliegenden Fall, bei dem die ausgewählten Drittunternehmen solche waren, die unter besonderer behördlicher Aufsicht standen.

Das BAG zog auch einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Erwägung, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG, ging aber davon aus, dass ein solcher der Arbeitnehmerin zumutbar war. Insbesondere liege kein besonders schwerwiegender Eingriff vor, da lediglich Stammdaten des Arbeitnehmers (Name, Alter, Adresse) herauszugeben waren.

Grundsatz: Soweit dem Arbeitgeber bei seiner Entscheidung kein Willkürlichkeits- oder Missbrauchsvorwurf zu machen ist, ist dessen Weisungsentscheidung zu akzeptieren (vgl. auch Marquarth, ArbRB 2014, 5, 6).

Praxishinweis: Das Gericht begründete die geringe Eingriffsintensität auch mit den, durch das Signaturgesetz (SigG) – mittlerweile durch die eIDAS-Verordnung und das eIDAS-Durchführungsgesetz abgelöst – vorgegebenen Bestimmungen zum Schutz der verwendeten Daten.

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