Umfang der Belehrungs- und Aufklärungspflicht von minderjährigen Kindern bei der Internetnutzung, bloßes Anhalten zur Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten seitens der Eltern unzureichend

Gericht

BGH

Datum

11.06.2015

Aktenzeichen

I ZR 7/14

Branche/ Lebenslage

  • Eltern,
  • Schadensersatz,
  • Störerhaftung,
  • Aufsichtspflicht,
  • Belehrungspflicht,
  • Internettauschbörse,
  • Internetanschlussinhaber,
  • Kinder,
  • Minderjährige,
  • Internetnutzung

Akteure

  • Urheberrechtsinhaber, Internetanschlussinhaber/Eltern, minderjähriges Kind

Wer haftet?

  • Internetanschlussinhaber/Eltern

Haftungsart

  • Schadensersatz,
  • Unterlassung

Haftungsumfang

  • Schadenshöhe nach Lizenzanalogie,
  • Abmahnkosten/Anwaltskosten,
  • Verfahrenskosten

Haftungsbegründendes Verhalten

Unterhaltung eines Internetanschlusses und Überlassung an Dritte (hier ein minderjähriges Kind)

Technische Umstände

Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien durch Dritte

Persönliche Umstände

Arglosigkeit gegenüber den Risiken rechtswidriger Internetnutzung durch minderjähriges Kind

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Einhaltung der gegenüber dem minderjährigen Kind bestehenden Belehrungs- und Warnpflicht hins. der Nutzung illegaler Tauschbörsen

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Über das WLAN der Beklagten wurden urheberrechtlich relevante Musikdateien im Wege des Filesharings zum Download angeboten. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass die entsprechenden Urheberrechtsverletzungen von der 14-jährigen Tochter der Beklagten vorgenommen worden sind.

Dafür hat die Beklagte als aufsichtspflichtiger Elternteil gem. § 832 Abs. 1 S. 1 BGB einzustehen. Den Rechteinhabern steht sowohl ein Anspruch auf Schadensersatz als auch auf Erstattung der anwaltlichen Abmahnkosten zu.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte ihre gesetzliche Aufsichtspflicht verletzt hat.

Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten.

Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. November 2012, I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus) (juris Rn. 32, Leitsatz 1).

Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch ihr Kind zu überwachen, den PC des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Derartige Maßnahmen kommen erst dann in Betracht, wenn die Eltern konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind ihrem Verbot zuwiderhandelt (so schon BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus).

Verstoßen die Eltern letztlich gegen die genannten Pflichten, sind sie unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht für eine durch ihr Kind widerrechtlich herbeigeführte Urheberrechtsverletzung gem. § 832 Abs. 1 BGB verantwortlich. Der BGH betont ausdrücklich, dass die beklagte Mutter deshalb nicht lediglich als Störerin, sondern als Täterin für die schuldhafte Verletzung ihrer Aufsichtspflicht haftet.

Der zu ersetzende Schaden kann nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden (juris Rn. 40).

ANMERKUNGEN

Mit der vorliegenden Entscheidung führt der Bundesgerichtshof seine sog. Morpheus-Rechtsprechung (Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12) zum Umfang der Aufsichts- bzw. Belehrungspflicht gegenüber minderjährigen Kindern bei der Internetnutzung überzeugend fort.

Zur Vermeidung einer Haftung ist es nach der vorliegenden Entscheidung unzureichend, die eigenen Kinder lediglich zur Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten im Internet anzuhalten. Vielmehr kommen Eltern ihrer Aufsichts-, Aufklärungs- und Belehrungspflicht nur dann ausreichend nach, wenn sie dem Kind konkret die Teilnahme an illegalem Filesharing verbieten und das vor Gericht vortragen.

Vergleiche zu den Grundsätzen der Lizenzanalogie auch BGH, Urt. v. 22.03.1990 – I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie.

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