Gericht
LG Hamburg
Datum
02.09.2013
Aktenzeichen
629 Qs 34/13
Branche/ Lebenslage
- Hosting Server,
- Sicherstellung von Daten,
- Speicherplatzanbieter,
- Cloud Anbieter
Akteure
- Speicherplatzanbieter,
- Ermittlungsbehörde
Wer haftet?
- Beschlagnahme von Datenträgern eines Speicherplatzanbieters, der nicht selbst Beschuldigter der vorgeworfenen Straftaten ist, ist unzulässig, soweit nicht andere Voraussetzungen ebenfalls gegeben sind
Haftungsart
- –
Haftungsumfang
- –
Haftungsbegründendes Verhalten
Nicht der Speicherplatzanbieter, sondern der Beschuldigte hatte die Dokumente veröffentlicht, somit war der beabsichtigte Antragsgegner nicht gleich dem Beschuldigten
Technische Umstände
Anlass der angestrebten Beschlagnahmeanordnung war die Bereitstellung des Speicherplatzes für die Veröffentlichung von Dokumenten, deren Veröffentlichung möglicherweise gegen die Strafgesetze verstieß
Persönliche Umstände
–
Möglichkeiten der Haftungsvermeidung
–
Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung
Ein Anwalt hatte sämtliche Unterlagen aus einem Verfahren der Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandanten auf seiner Homepage unzensiert veröffentlicht. Das Gericht hatte über den Antrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, die Daten beim Provider des Betroffenen mit der Maßgabe zu beschlagnahmen, dass die Beschlagnahme durch Löschung der Daten durch den Provider des Betroffenen zu verhindern sei. Das vorrangige Ziel der Maßnahme war, die Löschung der Daten zu erreichen.
Das Gericht sah jedoch für den Antrag der Staatsanwaltschaft keine rechtliche Grundlage. Die Einziehung der Daten selbst sei ausgeschlossen, weil diese nicht Gegenstand der in den §§ 74 ff StPO genannten Maßnahmen sein könnten. Die Beschlagnahme des Servers selbst sei nicht möglich, weil dieser nicht dem Staatsanwalt, sondern dem Provider gehörte:
Als ein solcher Gegenstand [der nach §§ 74 StPO sichergestellt werden könnte] kommt zunächst der Server der S AG in B in Betracht. Denn dieser wird für die Verbreitung der Dokumente im Internet „gebraucht“. Nach den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift – normiert in § 74 Abs. 2 StGB – ist aber die Einziehung des Servers (und damit eine Löschungsanordnung betreffend die darauf befindlichen Daten als Minusmaßnahme gem. dem Rechtsgedanken des § 74 b Abs. 2 StGB) nur zulässig, wenn er entweder dem Beschuldigten gehört oder zusteht oder der Server seiner Art und den Umständen nach die Allgemeinheit gefährdet oder die Gefahr besteht, dass er der Begehung rechtswidriger Taten dienen wird.
Die Einziehung der Daten über § 74 StGB ist ebenfalls nicht möglich. Daten sind keine Gegenstände im Sinne dieser Vorschrift, und sie sind auch keine Gegenstände im Sinne des § 111b Abs. 1 S. 1 StPO.
ANMERKUNGEN
Entscheidungsgrundlage war nicht die Beschlagnahme zu Beweiszwecken, da es sich um einen bereits aufgeklärten Sachverhalt handelte. Somit beurteilte das Gericht den Antrag anhand §§ 74, 74 d StPO. Nach den Vorschriften können Gegenstände, die zu Straftaten gebraucht worden sind, eingezogen werden. Das Gericht lehnte die Zulässigkeit der konkret beantragten Maßnahme allerdings ab.
Begründung (1): Die Einziehung des Servers scheiterte daran, dass die betroffene Person der Einziehung nicht die beschuldigte Person war, was jedoch entsprechend § 74b StPO zwingende Voraussetzung sei. Hierfür sei die dingliche Eigentumslage nach dem Zivilrecht entscheidend. Eine Nutzungsberechtigung sei kein Eigentum in diesem Sinne.
Begründung (2): Die Einziehung der Daten selbst konnte, dem Gericht nach, ebenfalls nicht auf §§ 74 StPO gestützt werde, weil die Vorschriften gespeicherte Daten nicht erfassten. Insbesondere war auch keine Beschlagnahme der Datenträger nach § 74d stopp zulässig, da dies vorausgesetzt hätte, dass jede vorsätzliche Verbreitung (der Daten) in Kenntnis ihres Inhalts den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen würde. Eine grundsätzliche Strafbarkeit aufgrund des Inhalts der Dokumente sei jedoch nicht gegeben, weil § 353d StGB nicht unter allen Umständen deren Veröffentlichung unter Strafe stelle. Auch die weiteren Voraussetzungen waren nicht gegeben, denn der Datenträger befand sich nicht im Besitz des Täters, Teilnehmers oder eines anderen Beteiligten, für den der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat.
Das Gericht ging zwar davon aus, dass „Gegenstände“ einer Beschlagnahme zur Beweissicherung (§§ 94 ff. StPO) auch gespeicherte Daten als solche sein könnten und nicht nur deren Datenträger. Im Fall der §§ 74 StPO, also der Sicherstellung von Gegenständen nicht aus Beweissicherungsgründen, lehnte das Gericht dies jedoch ausdrücklich ab.