Gericht
AG Hamburg
Datum
31.08.2016
Aktenzeichen
36a C 45/16
Branche/ Lebenslage
- File-Sharing,
- Störerhaftung,
- Haftung des Internetanschlussinhabers,
- Wohngemeinschaft,
- WG,
- Mieter,
- Hauptmieter,
- Untermieter,
- Belehrung,
- Belehrungspflicht
Akteure
- Urheberrechtsinhaber,
- Internetanschlussinhaber/Hauptmieter,
- volljährige Dritte/Mitbewohner
Wer haftet?
- Internetanschlussinhaber, jedoch nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung; hier (-)
Haftungsart
- Störerhaftung,
- Unterlassung, hier (-)
Haftungsumfang
- Grundsätzlich Anwaltskosten/Abmahnkosten,
- Verfahrenskosten
Haftungsbegründendes Verhalten
bloße Unterhaltung eines Internetanschlusses und Überlassung an volljährige Dritte
Technische Umstände
Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Daten
Persönliche Umstände
Arglosigkeit gegenüber den Risiken rechtswidriger Internetnutzung durch Dritte, hier (-)
Möglichkeiten der Haftungsvermeidung
Nur bei konkreten Anhaltspunkten: Aufklärungs- und Warnpflicht hinsichtlich einer rechtswidrigen Nutzung von Filesharing-Plattformen
Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung
Über das WLAN einer Wohngemeinschaft wurde eine Urheberrechtsverletzung vorgenommen. Das geschah in Form des öffentlich Zugänglichmachens eines Musikalbums über eine Internet-Tauschbörse. Die Wohnraummieterin/Hauptmieterin wurde sodann von der Rechteinhaberin als Täterin auf Schadensersatz oder zumindest als Störerin auf Unterlassung (und damit einhergehend auf Zahlung der Abmahnkosten) in Anspruch genommen.
Eine Haftung als Täterin scheidet aus. So spricht zwar für dann Fall, dass über einen Internetanschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft der Anschlussinhaberin. Das gelte jedoch dann nicht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung andere Personen den Anschluss nutzen konnten (juris Rn. 22). Der Internetanschlussinhaber kann im Rahmen der ihn treffenden sog. sekundären Darlegungslast Umstände vortragen, aus denen sich die Möglichkeit der Nutzung des Anschlusses durch Dritte ergibt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12 – BearShare). Speziell für den Fall eines Wohnraummieters/Hauptmieters stellt das AG Hamburg in diesem Zusammenhang Folgendes fest:
[Ein Wohnraummieter als Anschlussinhaber] genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen [hier: Mitmieter und dessen Untermieter, wobei letzterer die Tatbegehung gegenüber Mieter und Mitmieter zugegeben hat] (Rn.25).
Auch eine Inanspruchnahme der Hauptmieterin im Rahmen der Störerhaftung kommt nicht in Betracht.
Als Störer kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat.
Das Gericht hatte sich nun zu der Frage zu äußern, ob gegenüber volljährigen Mitbewohnern als Mitbenutzern des WLAN eine Hinweis-, Belehrungs- oder Überwachungspflicht in Bezug auf eine rechtswidrige Nutzung des Internets (konkret in Form einer Teilnahme an Filesharing-Plattformen) besteht:
[…] Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, [trifft] keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht […] (juris Rn. 31).
ANMERKUNGEN
Nach Ansicht des AG Hamburg besteht keine anlasslose Belehrungspflicht des Hauptmieters als Internetanschlussinhaber in Bezug auf volljährige Untermieter einer Wohngemeinschaft.
Das Gericht liegt damit ganz auf der Linie des Bundesgerichtshofs und schließt sich dieser Rechtsprechung an (vgl. insb. BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 86/15 – Silver Linings Playbook).
So ist es dem Anschlussinhaber grundsätzlich nicht zuzumuten, volljährige Personen über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen zu belehren, solange es keine konkreten Anhaltspunkte für bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzungen gibt. Anders als gegenüber minderjährigen Kindern (vgl hierzu BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus) besteht gegenüber diesem Personenkreis somit keine generelle Aufsichtspflicht des Anschlussinhabers. Vielmehr kann auf die Eigenverantwortlichkeit und das Verständnis volljähriger Personen vertraut werden.
Anzumerken bleibt, dass der Anschlussinhaber in diesem Zusammenhang jedoch nach wie vor (auch um den Interessen der Rechteinhaber gerecht zu werden) im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vorzutragen hat, ob und auch welche anderen Personen (zum Tatzeitpunkt) Zugang zum fraglichen Internetanschluss hatten und damit als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 48/15 – juris Rn. 33 – Everytime we touch).