Grundsätzliche Geeignetheit des unbefugten Zugriffs in den E-Mail-Account des Arbeitgebers für Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung

Gericht

LAG Schleswig-Holstein

Datum

03.06.2008

Aktenzeichen

5 Sa 22/08

Branche/ Lebenslage

  • Außerordentliche Kündigung,
  • unbefugter Zugriff auf den E-Mail-Account des Arbeitgebers,
  • Ausspähen von Daten

Akteure

  • Arbeitnehmerin,
  • Arbeitgeber

Wer haftet?

  • Der Arbeitnehmerin ist rechtmäßig gekündigt worden

Haftungsart

Haftungsumfang

Haftungsbegründendes Verhalten

Unberechtigter Zugriff auf den E-Mail-Account des Arbeitgebers

Technische Umstände

Ermöglichung der Kenntnisnahme von nicht für die Arbeitnehmerin bestimmten Inhalten

Persönliche Umstände

Zugriff auf den E-Mail-Account, ohne hierzu befugt zu sein

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Der nicht befugte Zugriff auf den E-Mail-Account des Arbeitgebers sollte grundsätzlich unterlassen werden

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Der Klägerin war durch die Beklagte gekündigt worden. Zur Begründung wurde unter anderem eine unberechtigte Weiterleitung von an den Beklagten gerichteten E-Mails an die Klägerin angeführt. Darüber hinaus hatte die Klägerin den E-Mail-Account des Beklagten auch ausspioniert. Gegen die Kündigung wendete sich die Klägerin.

Das Gericht entschied, dass die fristlose Kündigung des Arbeitgebers insbesondere aufgrund des Ausspionierens des E-Mail-Accounts nach § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt war.

Ein unbefugter Eingriff in den persönlichen E-Mail-Account des Arbeitgebers ist […] an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Die elektronisch gespeicherten persönlichen Daten (E-Mails) unterliegen der Privatsphäre und somit dem persönlichen Geheimbereich eines jeden Einzelnen. Diese Wertung kommt insbesondere durch Art. 10 GG und § 202a StGB zum Ausdruck.

Der unbefugte Zutritt zum elektronischen Postfach des Arbeitgebers kann einen erheblichen Eingriff in das Datengeheimnis darstellen, der grundsätzlich geeignet ist, die erforderliche Vertrauensbasis irreparabel zu zerstören, sodass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist.

Im Unterschied zu der Umleitung geschäftlicher und ausdrücklich in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin fallender E-Mails betrifft das allgemeine Durchsuchen des persönlichen E-Mail-Accounts des Beklagten nicht nur die geschäftlichen und in ihren Aufgabenbereich fallende E-Mails, sondern auch solche, die eindeutig nicht zu ihren Aufgaben zählen und/oder die gänzlich privater Natur sind.

Der Beklagte muss bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses befürchten, dass (die Arbeitnehmerin) ihn weiter ausspioniert. Die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigende Zerstörung der Vertrauensbasis ist damit gegeben.

ANMERKUNGEN

Die Kündigung der Arbeitnehmerin mitauslösend war die Erschleichung unberechtigter Gehaltszahlungen, die vom Gericht allerdings als nicht bestätigt gesehen wurden. Die Weiterleitung von E-Mails des Arbeitgebers auf sich selbst wurden als nicht zur Kündigung berechtigend gesehen.

Nachschieben von Kündigungsgründen: Der Arbeitgeber konnte den einzig zur Rechtmäßigkeit der Kündigung führenden Grund auch „nachschieben“. So bestätigte das Gericht, dass Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Zugang der Kündigung noch nicht länger als zwei Wochen bekannt gewesen sind, ohne materiell-rechtliche Einschränkungen nachgeschoben werden können, wenn sie bereits vor der Kündigung entstanden sind.

Arbeitsverhältnis unter Lebenspartnern/Ehepartnern: Eine andere Beurteilung des Falls sah das Gericht auch nicht als dadurch erforderlich an, dass die Streitparteien zuvor in unehelicher Lebenspartnerschaft verbunden waren. Das ist wohl auch dann nicht erforderlich, wenn sie verehelicht gewesen wären.

Schreiben Sie einen Kommentar