Gericht
AG Berlin-Mitte
Datum
25.11.2009
Aktenzeichen
21 C 442/08
Branche/ Lebenslage
- Bank,
- Skimming,
- PIN,
- EC-Karte,
- missbräuchliche Verwendung der EC-Karte
Akteure
- Bankkunde,
- Bank
Wer haftet?
- Bank
Haftungsart
- Schadensersatz
Haftungsumfang
- Schadensersatz,
- Verfahrenskosten
Haftungsbegründendes Verhalten
Tätigung eines unbefugten Zahlungsauftrags
Technische Umstände
Die Bank kann bei Verwendung von EC-Karte und korrekter PIN am Bankautomaten nicht direkt überprüfen, ob hier tatsächlich eine berechtigte Abhebung beabsichtigt ist; das Risiko hierfür soll jedoch nicht der Bankkunde tragen
Persönliche Umstände
Kein vorwerfbares Verhalten des Kunden, wenn Bankkarte in Folge Diebstahls zu unbefugten Abhebungen missbraucht wird
Möglichkeiten der Haftungsvermeidung
–
Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung
Die Klägerin machte gegenüber der Bank einen Anspruch auf Ausgleich ihres Bankkontos geltend, weil ihr Konto unter missbräuchlicher Verwendung ihrer Bankkarte belastet worden war.
Das Gericht gab der Klägerin Recht:
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Rückbuchung des Betrages […] aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu.
Ein Gegenanspruch der Beklagten gegen die Klägerin aus Nebenpflichtverletzung gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Girovertrag gem. § 676 f BGB, welcher einen Rechtsgrund darstellen könnte, ist nicht gegeben. Der Klägerin ist wegen der Aufbewahrung ihrer EC-Karten kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen.
Von den vorliegend für das Gericht feststehenden Umständen im Hinblick auf den Kartendiebstahl kann angesichts der Zunahme der sog. Skimming-Fälle nicht mehr geschlossen werden, dass die Klägerin ihre PIN entgegen ihrer Sorgfaltspflichten aus dem Girovertrag auf ihren EC-Karten vermerkt hat bzw. gemeinsam mit diesen aufbewahrt hat.
ANMERKUNGEN
Der Bankkundin wurde kein Vorwurf durch das Gericht gemacht, ihre Bankkarte gegebenenfalls nicht ausreichend sorgfältig aufbewahrt zu haben. Daher konnte die Bank gegen die Forderung der Kundin auch nicht mit einem eigenen Schadensersatzanspruch aufrechnen.
Insbesondere nahm das Gericht keine Beweiserleichterung zu Gunsten der Bank an, der Kunde hätte unvorsichtig gehandelt. Das entspricht einer Abweichung von den ursprünglichen Grundsätzen des BGH (05.10.2004, XI ZR 210/03), demnach die korrekte Verwendung von EC-Karte und PIN einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Bankkunden begründet, dieser habe die Abhebung autorisiert. Das Gericht begründete das sowohl mit der erhöhten Missbrauchswahrscheinlichkeit als auch der Wertung des § 676h BGB a.F. (seit 2009 weggefallen), der die Beweislastverteilung bei missbräuchlichen Abhebungen stärker auf die Banken verlagern sollte. Die Frage des Anscheinsbeweises wird heute insbesondere auch hinsichtlich des Online-Bankings diskutiert. Die Rechtsprechung tendiert hier wohl dazu, trotz korrekter Verwendung von PIN und TAN keinen Anscheinsbeweis anzunehmen, vgl. grundsätzlich auch BGH (26.01.2016, XI ZR 91/14).
Neue Gesetzeslage: Die Haftung von Bankkunden ist seither in § 675v BGB geregelt. Eine Haftung für fälschliche Zahlungen durch die Bank soll bei einfacher Fahrlässigkeit auf 50 Euro beschränkt bleiben. Eine volle Haftung ist nur noch bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz gegeben. Ansonsten haftet die Bank für missbräuchliche Zahlungsaufträge.
Als nicht besonders sorgfaltswidrig stufte das Gericht das Belassen der EC-Karte im Handschuhfach eines PKW ein. Eine vertragliche Regelung, die das Zurücklassen der EC-Karte in unbeaufsichtigten Fahrzeugen ausdrücklich als sorgfaltspflichtwidrig einordnen sollte, wurde durch das Gericht im Rahmen der AGB-Kontrolle als wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Schutzvorschriften und damit als unwirksam eingestuft.